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Weiße Nebel der Begierde

Titel: Weiße Nebel der Begierde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jaclyn Reding
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erreichte, sah sie die starren, weit aufgerissenen Augen und das aschfahle Gesicht des Kindes.
    »Juliana, was ist mit dir?«
    Juliana rührte sich nicht.
    Eleanor richtete den Blick aufs Wasser, um zu sehen, was das Kind so sehr in seinen Bann gezogen hatte, aber sie erkannte nichts in dem Dunst. Sie fasste nach Julianas Hand und bemühte sich, sie weiterzuziehen - der Gesichtsausdruck der Kleinen jagte ihr Angst ein.
    »Komm, Juliana, lass uns heimgehen, bevor es noch dunkler wird ...«
    Es war, als hätte das Kind Wurzeln geschlagen.
    Eleanor flüsterte besänftigende Worte und versuchte alles, um die Kleine wegzubringen.
    Plötzlich fing Juliana an zu zittern. Eleanor kniete sich neben sie und tätschelte ihre Hand. »Was ist,Juliana? Was hast du? Bitte, sag mir...«
    Juliana reagierte nicht. Eleanor geriet in Panik und merkte gar nicht, dass ihre Worte nichts bewirkten. Ihr Herz pochte vor Angst, als sie sich umschaute und nach irgendetwas suchte, was das Kind wieder in die Wirklichkeit zurückbringen könnte. Juliana war wie in Trance, und Eleanor gelang es nicht, zu ihr durchzudringen. Voller Verzweiflung und Hilflosigkeit suchte Eleanor in der Dunkelheit nach Rettung.
    Nach einer Weile entdeckte sie ein flackerndes Licht in der Ferne, aber sie konnte Juliana nicht allein und zitternd wie Espenlaub auf dem Felsen stehen lassen. Sie rief laut um Hilfe und betete, dass der Mensch mit der Lampe sie hörte und zu ihr kommen würde.
    Kurz darauf bewegte sich das Licht in ihre Richtung. Eleanor blinzelte sich die Tränen aus den Augen, als eine männliche Gestalt auftauchte. Sie erkannte den Mann als einen der Pächter, denen sie heute begegnet waren.
    Er sprach sie auf Gälisch an, aber sie konnte ihm nicht in derselben Sprache antworten. Stattdessen fuchtelte sie hilflos mit den Händen.
    »Bitte, holen Sie Lord Dunevin ... den Laird ... MacFeagh ...«, stammelte sie.
    Der Mann nickte. Er drückte ihr die flackernde Öllampe in die Hand, drehte sich um und lief in die Dunkelheit. Eleanor blieb an Julianas Seite, versuchte, sie zu beruhigen, redete sanft auf sie ein und flehte sie an, mit ihr nach Hause zum warmen Küchenfeuer zu gehen, an dem Mairi auf sie wartete.
    Sie hatte keine Ahnung, wie viel Zeit verging. Vielleicht Minuten, vielleicht Stunden. Das Nächste, was sie bewusst wahrnahm, waren donnernde Hufschläge und Cudus Kläffen.
    »Jetzt wird alles gut, Juliana. Hörst du das? Dein Vater kommt.«
    Lord Dunevin sprengte bergauf und zügelte sein Pferd. Cudu trottete auf Juliana zu und schnüffelte an ihrer Hand.
    Sie bewegte sich immer noch nicht vom Fleck.
    »Was machen Sie hier?«, herrschte Dunevin Eleanor an, als er sich aus dem Sattel schwang. »Sie hätten schon vor Stunden nach Hause kommen sollen.«
    Die Tränen, die Eleanor so lange zurückgehalten hatte, brachen sich plötzlich Bahn, und Eleanor schluchzte: »Wir waren auf dem Heimweg ... und wir mussten hier heraufklettern ... aber Juliana blieb plötzlich stehen und rührte sich nicht mehr ... dann fing sie an zu zittern. Ich konnte sie nicht beruhigen, so sehr ich es auch versucht habe ...«
    »Bringen Sie sie da weg!«
    Lord Dunevin Gesicht war finsterer als der Himmel und Eleanor war starr vor Angst. Als sie nicht augenblicklich reagierte, marschierte der Lord ohne Vorwarnung auf sie zu, packte sie grob an der Taille und hob sie in den Sattel. Dann hob er Juliana, die immer noch unbewegt und zitternd aufs Meer starrte, hoch und setzte sie vor Eleanor aufs Pferd.
    »Bringen Sie sie ins Schloss.«
    »Aber ich kenne den Weg nicht...«
    »Los!«
    Der Viscount schlug mit der flachen Hand auf die Flanke des Pferdes. Das Tier machte einen Satz und hätte um ein Haar Eleanor und Juliana abgeworfen. Eleanor griff nach den Zügeln und krallte sich in der Mähne fest, während sie Juliana an sich drückte und inständig hoffte, dass das Pferd den Weg zum Schloss in der Finsternis fand.
    Tränen brannten in ihren Augen, als sie davongaloppierten. Der Wind fegte ihr bitterkalt ins Gesicht, aber sie merkte kaum etwas. Ihr schwanden die Sinne.
    Im Nu, wie es schien, sprengte das Pferd in den Schlosshof und blieb stehen. Eleanor rief nach Hilfe, rutschte aus dem Sattel und hob Juliana herunter. Mairi lief herbei, zerrte sich den Tartan-Schal von den Schultern und wickelte die nach wie vor bebende Juliana darin ein.
    Ohne ein Wort führte sie das Kind ins Haus. Eleanor folgte ihnen in den Kindertrakt, wo die beiden Frauen Juliana Schuhe und Mantel auszogen

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