Weiße Nebel der Begierde
er sich leicht zur Seite neigte und die Schenkel zusammendrückte, kam plötzlich Seamus von der Seite und engte den Radius noch mehr ein.
Das Pferd scheute und hätte sie beinahe abgeworfen. Gabriel musste an dem Führseil zerren, um anzuhalten, ansonsten hätte er riskiert, dass einer von ihnen oder sie beide auf die Felsen der Anlegestelle geschleudert worden wären.
Als es ihm gelungen war, den Kopf des Pferdes in die andere Richtung zu bringen, holte Seamus aus und schlug mit der Gerte auf die Flanke seines Pferdes ein. Mit einem fast unirdischen Fluch trieb er das erschrockene Tier zum Galopp auf die Ziellinie an.
Gabriel schlang einen Arm um Eleanors Taille, zog sie noch fester an sich, so dass sie beinahe auf seinem Schoß saß. Sein Kinn streifte ihre Schläfe, und die rauen Bartstoppeln berührten ihre Stirn, als er auf sie herunter sah.
»Halten Sie sich an mir fest, Mädchen. Wir bekommen Flügel und fliegen zum Ziel.«
Eleanor hatte kaum mehr Zeit, seinen Arm zu greifen, bevor er die Fersen in die Seiten des Rosses bohrte und der Hengst mit donnernden Galoppsprüngen über den Sand sprengte. Der Wind heulte in ihren Ohren, während sie durch den Gischt den anderen beiden Reitern nachjagten.
Zuerst überholten sie Donald MacNeill, dessen Stute sichtlich müde wurde; sie hatte kürzere Beine und konnte mit den größeren Pferden nicht Schritt halten. Gabriels Ross holte auf, galoppierte in einer Wolke von aufgewirbeltem Sand und Wasser an Donald vorbei, der sie noch mit lauten Schreien anfeuerte, schneller zu reiten.
Sie donnerten über den Strand und kamen Seamus immer näher. Die kleinen Steinchen und der Sand, die von den Hufen seines Pferdes aufspritzten, regneten auf sie hernieder. Eleanor schmiegte das Gesicht an Gabriels Hals, um nicht getroffen zu werden, sein Duft und seine Körperwärme raubten ihr die Sinne.
Sie nahm kaum wahr, dass sie Seamus wie ein Blitz überholten und auf die Ziellinie zurasten. Erst als sie die Jubelschreie von den Zuschauern hörte, begriff sie, dass sie das Rennen gewonnen hatten.
Gabriel ließ sein Pferd austraben, bis es im Schritt den mit Heidekraut bewachsenen Hang hinauftrottete. Selbst nach dem wilden Galopp ließ Eleanor Gabriel noch nicht los; sie besann sich erst, als die Leute sie jubelnd umringten und Gabriel für den großen Sieg beglückwünschten.
Gabriel ließ das Seil los und lockerte die Umarmung, dann schwang er ein Bein über den Pferderücken und sprang auf den Boden. Während sich immer mehr Leute um sie drängten, umfasste er Eleanors Taille und hob sie behände herunter. Er hielt sie fest, als ihre Beine plötzlich schwach wurden.
»Halten Sie sich aufrecht, Mädchen«, sagte er leise. »Sie haben wieder festen Boden unter den Füßen. Ich dachte, man ist nur nach einer Fahrt über die See so wacklig auf den Beinen.«
Eine Fahrt über die See ...
Genauso fühlte sie sich im Augenblick. Ihr war schwindelig, und in ihrem Inneren herrschte ein solches Chaos, dass sie nur ein mattes Lächeln zustande brachte.
»Ein Kuss für die Lady vom Gewinner«, kreischte eine Stimme, die Mairis verdächtig ähnlich war. Wie im Traum beobachtete sie aus weit aufgerissenen Augen, wie sich Gabriel zu ihr beugte und vor allen seine Lippen auf die ihren drückte.
Alle grölten, doch Eleanor war so durcheinander, dass sie kaum etwas hörte. Innerhalb weniger Minuten waren sie von Gouvernante und Lord zu Frau und Mann geworden, zwischen denen keine Kluft eines Klassenunterschiedes mehr klaffte.
Die Geräusche - die Stimmen der Menge, der Wind, die Brandung, das alles verstummte zu einem leisen Murmeln. Sie hörte nur noch ihren eigenen Herzschlag, während sie sich mit Haut und Haaren dem Kuss und dem Mann überließ, der ihren Mund mit seinen Lippen berührte.
Es war viel, viel zu schnell vorbei.
Als sich Gabriel von ihr löste, sah er ihr tief in die Augen, und in diesem Moment wusste Eleanor, was zu diesem Ereignis geführt hatte.
Sie hatte sich in Gabriel verliebt.
Sie liebte diesen Mann mit all den Hoffnungen und Träumen, die sie jemals in ihrem Herzen gehegt hatte. Dies war etwas ganz anderes als die herzliche Zuneigung, die sie für Richard Hartley empfunden und in ihrer Unschuld und Unwissenheit für den Beginn einer Liebe gehalten hatte.
Die Gefühle, die Gabriel in ihr weckte, waren unendlich viel stärker. Es war, als würden Feuersbrünste, Stürme und die aufgewühlte See gleichzeitig in ihr toben. Sie wollte, dass er sie noch einmal
Weitere Kostenlose Bücher