Weiße Nebel der Begierde
auf Gälisch. Die Leute nickten und lobten die Rechtschaffenheit und den guten Willen des Lairds. Ein Mann schlug sogar vor, dass Olghars Maultier, das so müde und lustlos aussah, ohne Reiter laufen sollte, um die Bedingungen auch nach der anderen Seite auszugleichen. Alle lachten.
Eleanor war so sehr damit beschäftigt, sich umzuschauen und die Stimmung der Anwesenden auszuloten, dass sie gar nicht merkte, wie Gabriel sein Pferd dorthin lenkte, wo sie, Juliana, Mairi und Seona, standen. Erst als er direkt neben ihr war und sie spürte, wie eine Pferdeschnauze sanft gegen ihren Arm stieß, drehte sie sich um.
»Eleanor?«, sagte Gabriel, während er vom Rücken seines Hengstes auf sie herabsah.
»Ja?«
Erst als sie gewahr wurde, dass sich die Blicke aller auf sie gerichtet hatten, begriff sie, was er vorhatte.
»Sie wollen, dass ich mit Ihnen reite, Mylord?«
Gabriel hatte keine Gelegenheit, ihr zu antworten, denn von allen Seiten ertönten Jubelschreie. »Los, Mädchen«, spornten sie die Menschen an und: »Reiten Sie mit dem Laird.« Ehe sie sich’s versah, wurde Eleanor auf den Rücken des Pferdes gehoben und vor Gabriel gesetzt, als wäre dort ein Damensattel. Sie drehte ihm in atemlosen Staunen das Gesicht zu.
»Halten Sie sich fest, Mädchen«, flüsterte Gabriel mit einem schiefen Lächeln. »Dies wird ein ziemlich holpriger Ritt.«
Er wendete sein Pferd, ohne die Hände zu benutzen, und lenkte es mit dem Druck der Schenkel und Knie zurück zur Startlinie, vor der die anderen Reiter warteten. Eleanor krallte die Finger in die drahtige Mähne; ihr Herz raste, ihre Hände zitterten, und sie hoffte, dass sie nicht schon in dem Moment abgeworfen würde, in dem das Rennen begann.
»Alle Reiter an den Start!«, schrie der junge Donald, dann hob er die Blechpfanne und den Stock hoch, um das Signal zu geben.
Eleanor spürte, wie Gabriel die Arme fest um sie legte, und atmete tief den Geruch des prachtvollen Pferdes und des noch prachtvolleren Mannes ein und hielt die Luft an, und als Donald ausholte, um den Gong anzuschlagen, schloss sie die Augen.
Das Pferd spannte erwartungsvoll die Muskeln an.
Der Gong ertönte.
Sie machten einen Satz nach vorn.
Die Luft entwich ihren Lungen, als sie zurückgeschleudert wurde und gegen Gabriel Dunevins kraftvolle Brust prallte. Sie kämpfte verzweifelt darum, sitzen zu bleiben. Sie ließ die Mähne los und umklammerte Gabriels Arme, während er sein Ross zu größerer Geschwindigkeit antrieb.
Der beißende Wind schlug ihr ins Gesicht und trieb ihr die Tränen in die Augen, ihr Haar löste sich aus dem kunstvollen Knoten, aber sie merkte kaum etwas davon. Sie konnte an nichts anderes denken als an den Mann, der die Arme um sie gelegt hatte.
Sie galoppierten in halsbrecherischem Tempo über das unebene, trügerische Gelände, aber Eleanor hatte sich nie in ihrem Leben sicherer gefühlt. Sie wusste, dass sie loslassen konnte und trotzdem nicht fallen würde. Er würde das nie zulassen. Aber das spielte gar keine Rolle. Sie wollte sich an ihm festhalten. Sie wollte seine starken Arme unter ihren Händen und seinen warmen Körper fühlen und den salzigen Geruch seines Halses einatmen, während sie sich der Bewegung des Pferdes folgend mit ihrem ganzen Körper an ihn lehnte.
Die donnernden Hufe spritzten das Wasser der auf den Sand rollenden Wellen auf und in ihre Gesichter; sie setzten über einen großen Stein und brachen durchs Gestrüpp, während sie sich der Anlegestelle näherten. Dort mussten sie eine scharfe Wende machen und die Strecke zurücksprengen bis zur Start-Ziellinie, an der die Zuschauer warteten und sie anfeuerten.
Drei Pferde erreichten Kopf an Kopf die Anlegestelle, das von Donald MacNeill, das von Seamus Maclean und Dunevins, das zwei Reiter zu tragen hatte. Dieser Umstand machte die Wende auf schmälstem Raum noch schwieriger, aber Gabriel machte keinerlei Anstalten, sein Ross zu zügeln.
Seamus oder Donald auch nicht.
Im Gegenteil, sie alle trieben ihre Pferde noch mehr an. Die Hufe der Pferde bohrten sich tief in den nassen Sand, als sie dem Felsvorsprung näher und näher kamen.
An dem Punkt, an dem sie umkehren mussten, schwenkte Seamus nach links, also landeinwärts, und Donald nach rechts in Richtung Meer ab und galoppierte in einem großen Bogen durch die Wellen, die am Strand aufschlugen.
Gabriel musste eine engere Kurve reiten - ein schwieriges Manöver ohne Zügel und Mundstück, mit deren Hilfe man das Pferd dirigieren konnte. Als
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