Weiße Nebel der Begierde
augenblicklich, als sie Seamus Macleans hasserfüllten Blick sah, mit dem er den neuen Rennteilnehmer empfing.
Sobald Seamus merkte, dass Eleanor ihn beobachtete, riss er sein Pferd zurück.
»Maclean«, rief Donald MacNeill ihm zu, »was hast du vor? Gibst du auf, bevor das Rennen angefangen hat?«
Die Menge tuschelte und murmelte gälische Worte.
Seamus spuckte auf den Boden und antwortete: »Nee, Donald MacNeill. Ich sehe nur keinen Grund, meine Zeit zu verschwenden. Jetzt ist doch allen klar, wer heute das Rennen gewinnen wird - der Mann, der so viel Geld hat, dass er sich den besten Gaul kaufen kann.«
Es herrschte verblüfftes Schweigen, manche schnappten erstaunt nach Luft. Manche schüttelten ungläubig den Kopf über Seamus, der es gewagt hatte, seiner Feindseligkeit dem Laird gegenüber so offen Ausdruck zu verleihen. Andere starrten ihn nur an.
Ein bedrohlicher Wind fegte übers Land und pfiff in den Ästen der Bäume. Niemand rührte sich, keiner gab einen Laut von sich, so schnell war die Festtagsstimmung umgeschlagen.
Seamus Maclean lebte selbst zwar nicht auf der Insel, aber seine Eltern waren schon ihr Leben lang Pächter von Lord Dunevin und abhängig von seinem Wohlwollen. Nur wenige Lairds, wenn überhaupt einer, würden eine derartige Respektlosigkeit dulden. Die meisten würden nach einer solchen Dreistigkeit ein Exempel statuieren und dadurch alle anderen an die wahre Ordnung der Dinge erinnern.
Eleanor warf einen verstohlenen Blick auf Seamus’ Vater und Mutter. Sie waren schon älter und nicht mehr imstande, das ganze Pachtland zu bearbeiten, und beiden war der Schreck über die Situation ins Gesicht geschrieben.
Sie hatten es nur Gabriels Großzügigkeit und seiner Gutherzigkeit zu verdanken, dass sie noch ein Dach über dem Kopf und ein bisschen Land hatten, von dem sie mehr schlecht als recht leben konnten; er könnte ihnen das alles jederzeit ohne Angabe von Gründen wegnehmen. In einer Zeit, in der die Highland-Lairds ihre Ländereien zügig von den Pächtern, die seit Generationen dort Landwirtschaft betrieben hatten, säuberten, um die profitablere Schafzucht zu betreiben, war ein Benehmen wie das von Seamus äußerst unklug und gefährlich.
Alle warteten gebannt auf Gabriels Reaktion. Als sie kam, verstummten sogar die Möwen am Himmel.
»Wenn Sie begierig sind auf mein Pferd, Maclean, dann hätten Sie die Gelegenheit nutzen sollen, es in der letzten Nacht vor dem Rennen zu stehlen.« Er spähte zu Eleanor und erklärte: »Es ist ein uralter Brauch, dass man sich in der Nacht vor Michaelis jedes Pferd aneignen darf, das man für das Rennen als geeignet ansieht. Diese Tat bleibt straflos, vorausgesetzt, das unversehrte Pferd wird nach dem Rennen dem rechtmäßigen Besitzer zurückgegeben. Die meisten der hier anwesenden Männer haben ihre Ponys und Pferde letzte Nacht auf der Weide bewacht.«
Er betrachtete kurz das Maultier, das mittlerweile tatsächlich eingeschlafen war. »Na ja, Olghar war vielleicht nicht ganz so vorsichtig. Zweifellos hat er den Stall die ganze Nacht offen gelassen und gehofft, dass ihm irgendein Narr diese faule Mähre stiehlt.«
Einige Inselbewohner lachten, während der Besitzer des Maultiers, Olghar Macphee, über Gabriels Scherz grinste. Die Leute beruhigten sich, weil sie spürten, dass ihr Laird Gnade vor Recht ergehen lassen würde.
»Ich habe keine Wachen an der Box meines Rosses aufgestellt«, fuhr Gabriel fort. »Ich habe sogar den Stall unversperrt gelassen, weil ich eigentlich nicht geplant hatte, an dem heutigen Rennen teilzunehmen, und weil ich dachte, dass sich vielleicht jemand mein Pferd ausborgen möchte, aber niemand hat sich die Mühe gemacht, es wegzuführen. Mir erschiene es nicht richtig, ihm jetzt zu verwehren, sich die Beine zu vertreten und mit all den anderen Pferden um die Wette zu laufen. Ich hatte keine andere Wahl, als herzukommen und es selbst bei diesem Rennen zu reiten.«
Zustimmendes Gemurmel wurde in der Menge laut. Andere schossen ärgerliche Blicke auf Seamus Maclean ab und schimpften leise auf ihn, weil er versucht hatte, das Fest zu verderben.
»Aber«, fügte Gabriel hinzu, »ich mache Ihnen ein Zugeständnis, Seamus Maclean, damit niemand sagen kann, ich hätte Vorteile bei dem Rennen. Mein Pferd wird das Gewicht von zwei Reitern tragen, während alle anderen allein reiten. Das sollte gleiche Bedingungen schaffen.«
Die Inselbewohnern, die Englisch verstanden, übersetzten den anderen Gabriels Angebot
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