Weiße Nebel der Begierde
verbrannt. Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Soweit es mich angeht, gibt es diese gehässigen Worte nicht mehr. Fluch hin oder her, Sie -« sie korrigierte sich rasch - »wir müssen tun, was nötig ist, um sicherzustellen, dass diese abscheulichen Menschen Juliana kein Leid zufügen können.«
Gabriel schwieg. Sein Gesicht wirkte gequält, während er nachdachte. Erst jetzt fiel Eleanor ein, dass es etwas gab, was sie in ihrem Enthusiasmus ganz vergessen hatte und was eine Heirat verhindern könnte.
Sie musste ihm sagen, dass sie illegitim geboren wurde.
»Gabriel, Sie haben mir gerade von der schrecklichen Vergangenheit Ihrer Familie und über ein Schicksal erzählt, das Sie nicht beeinflussen können, das aber dennoch Ihr Leben bestimmt. Bevor Sie eine Entscheidung treffen, müssen Sie etwas über mich erfahren.«
Eleanor fasste in ihre Tasche und nahm ein zusammengefaltetes Papier heraus. Es war die Vermisstenanzeige, die sie von der Wand des Gasthofs in Oban genommen hatte. Sie hatte sie am Morgen gefunden, als sie zusammen mit Mairi die Kleidungsstücke aussortiert hatte, die wegen des Rauchgeruchs gewaschen werden mussten. Sie hatte das Papier an sich genommen, um es später zu vernichten. Jetzt war sie allerdings der Ansicht, dass es am besten erklären konnte, was sie Gabriel zu sagen hatte.
Gabriel nahm die Anzeige, warf aber nur einen flüchtigen Blick darauf.
»Ja?«
Begriff er nicht, was dort stand?
»Haben Sie die Anzeige gelesen? Die Frau, die da beschrieben wird ... das bin ich, Gabriel.«
Er schaute sie entgeistert an. Schließlich sagte er ganz ruhig: »Wollen Sie damit vorschlagen, dass ich die Belohnung beanspruchen soll?«
Eleanor wusste nicht, ob das ein Scherz war oder nicht. Sie betrachtete verlegen ihre Hände und bereute bitter, dass sie ihn jemals angelogen und ihm vorgegaukelt hatte, jemand zu sein, der sie nicht war. »Ich dachte, Sie sollten wissen, dass ich nicht Miss Nell Harte bin.« Sie sah auf und direkt in seine dunklen Augen. »Ich entschuldige mich für die Täuschung, aber ich ...«
Eleanor verstummte, als Gabriel eine Schreibtischschublade aufzog und einen Papierbogen vor sie legte.
Es war dieselbe Vermisstenanzeige, die sie ihm gerade gegeben hatte. Sie sah ihn verblüfft an.
»Wie lange wissen Sie es schon?«
»Seit dem Tag, an dem wir in Oban waren.«
Seither waren Wochen vergangen. »Und trotzdem haben Sie nie etwas gesagt. Warum?«
»Weil ich dachte, dass Sie gute Gründe haben, Ihre wahre Identität geheim zu halten.«
»Die habe ich - oder ich hatte sie. Jetzt weiß ich das nicht mehr so genau.« Mit einem Mal wollte sich Eleanor alles von der Seele reden, sich von der Wut, dem Schmerz, der Demütigung befreien, die sie so lange in sich verschlossen hatte.
Und mehr als das wollte sie Gabriel die ganze Wahrheit sagen.
»Gabriel, ich habe meine Familie verlassen, weil ich erfahren habe, dass der Mann, den ich für meinen Vater gehalten habe, in Wirklichkeit gar nicht mein Vater war. Man hat mir immer weisgemacht, mein Vater wäre kurz vor meiner Geburt an einer Krankheit gestorben. Ich habe auf grausame Weise entdecken müssen, dass das alles nicht stimmt. Der Mann, der für die ganze Welt mein Vater ist, Christopher Wycliffe, kam bei einem Duell mit dem Mann ums Leben, mit dem meine Mutter ihn betrogen hatte. Er hieß William Hardey, Earl of Herrick.«
»Und?« Gabriel ahnte, dass noch mehr hinter dieser Geschichte steckte.
»Als sich diese Männer im Duell gegenüberstanden, wurde mein Vater, ich meine Christopher Wycliffe, getötet. Aber Lord Herrick, der ihn erschossen hatte, verließ das Feld der Ehre auch nicht lebend. Er wurde auch getötet - von meinem Bruder, Lord Knighton. Er hat die Pistole meines Vaters aufgehoben und den Earl of Herrick erschossen, als er gehen wollte. Mir hat man das alles nur erzählt, weil mir der Erbe von Lord Herrick, Richard Hartley, den Hof gemacht hat.«
»Ein Halbbruder, von dem Sie bis dahin gar nichts wussten.«
Sie nickte und staunte, wie gelassen und sachlich er blieb. »Richard hat mich gebeten, seine Frau zu werden, und mein Bruder hatte keine andere Wahl, als mir die Wahrheit zu sagen. Wäre ich Richard nie begegnet, würde ich immer noch nicht wissen, dass ich wahrscheinlich unehelich geboren bin.«
»Wahrscheinlich, aber nicht sicher.« In Gabriels Blick erkannte sie nichts anderes als Mitgefühl. »Was mich betrifft, so sind Sie dieselbe Person, für die Sie sich immer gehalten haben, Eleanor.
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