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Weiße Stille

Weiße Stille

Titel: Weiße Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alex Barclay
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Ren ihn zum Abschied noch einmal umarmen können, hätte sie es getan. Sie und Salem hätten das verrückteste Paar der Stadt abgegeben.
    Ren betrachtete ihn im Innenspiegel. In diesem Augenblick schien dieser mittellose, verwirrte Mann, der in einer halb verfallenen Hütte in den Bergen hauste, glücklicher zu sein, als sie es war.
    Im Sonnenlicht glänzte etwas unten neben der Beifahrertür. Ren senkte den Blick und sah das zweite Schlüsselpaar ihrer Suite dort liegen. Ein Zeichen?
    Doch sie fuhr weiter.
    Als sie an der roten Ampel stand, hinter der der Highway 9 begann, drehte sie sich noch einmal um und warf einen letzten Blick zurück.
    Breckenridge. Aufstieg und Fall der Ren Bryce.

ZWEITER
TEIL

49.
    Die Rotkiefern waren einen langsam Tod gestorben. Tausende von Hektar Land der einst so wundervollen grünen Wälder Colorados waren von den Bergkiefernkäfern befallen, die sich bis in den Süden Wyomings durchfraßen – ein beständiger Angriff einer schier unaufhaltsamen und rücksichtslosen Armee.
    Die Temperatur lag bei dreißig Grad, und die rote Fahne warnte in Garfield County vor der Feuergefahr. Ren hatte sich von Gressett und Todd verabschiedet, die über den Heupreis diskutiert hatten, und war bei blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein durch den Glenwood Canyon in Richtung Westen gefahren. Jetzt bog sie nach rechts auf einen breiten Feldweg ein, bis sie ein Gitter mit einem Schild »Durchgang verboten« erreichte. Es sah aus wie ein ganz normales Schild vor einer alten Ranch, doch es war mit einem Sensor ausgestattet und konnte mit der Karte, die am Innenspiegel des Wagens hing, geöffnet werden. Ren fuhr hindurch und dann noch etwa eine Meile, bis sie auf eine Lichtung gelangte. Sie sprang aus dem Jeep, nahm drei schwarze Waffenkoffer heraus und legte sie auf einen Holztisch, der dort aufgestellt war.
    Als Ren zum ersten Mal in Quantico mit scharfer Munition geschossen hatte, war sie überzeugt gewesen, jedes Ziel zu treffen – ein Irrglaube, wie sich herausstellte, für den sie ihre drei älteren Brüder verantwortlich machte, die ihr seit ihrem siebten Lebensjahr Ehrgeiz und Siegeswillen eingeimpft hatten.
    Ren ging über die heiße, trockene Erde zu den Zielscheiben und stellte vier nebeneinander auf – die schwarzen Umrisse einesMannes, der eine Waffe in der rechten Hand hielt. Auf einen unbewaffneten Mann durfte niemals geschossen werden, auch dann nicht, wenn es nur eine Pappfigur war. Heute würden die Pappkameraden in Rens Vorstellung den Perversen in Hot Springs repräsentieren, der Bilder von einem kleinen Mädchen gemacht und sich schamlos vor ihm entblößt hatte.
    Ren hatte noch einen Monat Zeit, ehe ihre vierte und abschließende Schießübung in diesem Jahr stattfand. Sie würde sich an ihren Erfolgen der letzten drei Schießübungen orientieren, bei denen sie vierundneunzig, neunzig und zweiundneunzig Punkte erzielt hatte. Nur eine weitere Gesamttrefferzahl von über neunzig würde sie zufriedenstellen.
    Sie lud das Magazin der Heckler & Koch MP5, eine vollautomatische Maschinenpistole, die eigens für das FBI angefertigt wurde. Dann setzte sie den Hörschutz auf und stellte sich vor die 25-Meter-Linie. Es war ein befriedigendes Gefühl, als sie sah, dass der rote Punkt auf dem Ziel lag. Ren durchlöcherte alle vier Köpfe. Sie feuerte noch eine Kugel ab. Dann ersetzte sie die Zielscheiben durch neue – die Pappfiguren hatten ihre pechschwarzen Köpfe verloren.
    Ren lud die Dreizehn-Schuss-Magazine und nahm ihre Dienstwaffe heraus, eine Glock .23. Sie begann wieder an der 25-Meter-Linie und schoss liegend und stehend. Dann ging sie bis auf fünfzehn, sieben und drei Meter heran. Auch diesmal durchlöcherte sie die Köpfe.
    Es war sengend heiß, und das T-Shirt klebte auf ihrer Haut. Aber es war der erste Tag in dieser Woche, an dem sie ihren neuen Kurzhaarschnitt nicht bedauerte. So bekam wenigstens ihr Hals ein bisschen Luft.
    Im nächsten Waffenkoffer lag ein Rock River M4 Gewehr, ihr bester Freund im ländlichen Colorado, sei es für Schüsse aus der Nähe oder aus mehreren hundert Metern Entfernung. Sie lud das Magazin mit dem Kaliber .223: kleine goldene Patronen, schimmernd und fest – so lange, bis sie ein Ziel trafen und zerbarsten.
    .223 – zwei-zwei-drei. Als Ren die Geschosse in der Hand hielt, musste sie an Paul Louderback denken.
    Ren machte eine weitere Schießübung mit dem M 4. Dann baute sie die Zielscheiben ab, packte die Waffen ein und legte sie hinten in

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