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Weißer Mond von Barbados

Titel: Weißer Mond von Barbados Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anthony Evelyn
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Angelegenheit für Russland. Sverdlov vergaß vorübergehend seine Kopfschmerzen und konzentrierte sich.
    Diese Korrespondenz war eine Kopie. Eine Kopie, hergestellt nach einem Mikrofilm. Und die Korrespondenz, die streng geheim gewesen war, hatte zwischen dem State Department, der Britischen und der Israelischen Botschaft stattgefunden. Sverdlov kannte diese Kopien, sie sahen immer gleich aus, und sie trugen alle den Vermerk: Streng Geheim, Stufe I. Sie kamen alle aus der gleichen Quelle, sie waren stets von großer Wichtigkeit und Bedeutung und liefen unter dem Kennwort ›Blau‹.
    Manchmal hatte er schon darüber nachgedacht, ob es eigentlich auf ihrer, der sowjetischen Seite, auch so einen geschickten Spion gab, der, geschützt durch einen hohen Rang, ebenso wichtige Informationen, hochexplosive Geheimnisse, an den Westen verriet.
    Sie hatten Penkovsky gehabt. Und der hatte Schaden genug angerichtet. Sverdlov hatte ihn gekannt in Moskau, bevor man ihn entlarvt hatte. Und er war dann auch einige Male bei den Verhandlungen zugegen. Der ganze Prozess war ein lächerliches Theater gewesen. Die Richter verdammten einen Mann, der veranlasst worden war, sich selbst zu opfern. Sverdlov anerkannte die Notwendigkeit, ein öffentliches Exempel zu statuieren, aber er hasste die Heuchelei, mit der das vor sich ging. Seiner Ansicht nach hätte man Penkovsky aus seiner Zelle holen und erschießen lassen müssen, ohne das grausame Schauspiel vor dem Gerichtshof abrollen zu lassen.
    Keiner von ihnen hier wußte, wer ›Blau‹ war. Schon daran erkannte man die Bedeutung des Spions. Nur einer kannte das Geheimnis, General Alexander Panyushkin, der oberste Chef des KGB in Moskau.
    Sverdlov läutete, und das Mädchen kam. Sie lächelte, setzte sich, die Knie ordentlich geschlossen unter einem Rock von manierlicher Länge. Wartete auf sein Diktat.
    Sverdlov bezog sich auf die Akte ›Blau‹, diktierte eine lange Depesche für Moskau, die in Code gebracht werden mußte. Er teilte mit, daß es seiner Ansicht nach im Hinblick auf die Eskalation in Kambodscha durchaus empfehlenswert sei, eine vorübergehende Annäherung zwischen Israel und den arabischen Staaten zu unterstützen.
    Wieso war Kalinin so plötzlich krank geworden? Diese Frage ging ihm nicht aus dem Sinn, während er diktierte. Und wieso hatte General Golitsyn ihn durch dieses unbekannte Mädchen ersetzt? – War Anna Skriabine ein ›Täubchen‹??
    »Täubchen«, so nannte man diese nützlichen Dunkeltypen, die für alle möglichen Zwecke benötigt wurden. Meist allerdings, um Männer außerhalb ihres Bereiches einzufangen. Sie waren alle gut trainierte Profis; manche arbeiteten als Maniküre in Luxushotels, als Verkäuferinnen in eleganten Geschäften, viele waren aber auch gut ausgebildete Sekretärinnen, die man an anspruchsvollsten Plätzen verwenden konnte. – Manche waren in den Gesandtschaften der befreundeten Staaten eingesetzt, einige sogar im eigenen Stab.
    Sverdlov zündete sich nachdenklich eine Zigarette an. Warum war gerade sie hier, um Kalinin zu vertreten?
    »Wo ist Genosse Kalinin?« fragte er plötzlich.
    »Ich weiß es nicht.« Dieselbe Antwort wie zuvor. »Soll ich bei ihm anrufen und fragen, ob er in seiner Wohnung ist?«
    Sverdlov nickte.
    Einer von Kalinins Kollegen war am Telefon. Das Mädchen stellte ihre Frage, hörte sich die Antwort an, bedeckte dann die Muschel mit der Hand und sagte: »Genosse Tretchin ist am Apparat. Er sagt, Igor Kalinin ist zu einem Erholungsurlaub nach Hause geflogen worden. Er sagt, er sei sehr krank gewesen, während Sie verreist waren.«
    »Das höre ich sehr ungern«, Sverdlov blies den Rauch in die Luft. »Es paßt mir gar nicht. Gut. Danke, Sie können einhängen. Sie wissen nicht, was Kalinin gefehlt hat?«
    »Nein, Genosse. Es hat nur geheißen, er sei sehr krank gewesen.«
    Sie befeuchtete ihre Lippen mit der Zungenspitze. Sie hatte einen schönen vollen Mund, der mit einem modischen schillernden Lippenstift getönt war. Alle ›Täubchen‹ waren auf sexuelle Verführung trainiert.
    Sverdlov lächelte sie an, sein Mundwinkel zog sich dabei tief herab.
    »Nun, vielleicht werden Sie dann für immer bei mir bleiben müssen«, sagte er. Er sagte es in freundlichem Ton und sah sie genauer an mit einem, wie es schien, erwachenden Interesse. Sie nahm die Arme zurück, so daß er die Form ihrer Brust sehen konnte, sie trug einen schwarzen Pullover zu dem Rock, ihre Haare waren blond und mit gekonnter Einfachheit

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