Weißer Mond von Barbados
ganz blaß. »Ich kann mir ja nichts darunter vorstellen. Aber irgendwie klingt's gefährlich, nicht? Hoffentlich finden Sie Ihren Freund heute nacht.«
»Gott helfe ihm, wenn mir das nicht gelingt«, sagte Judith. »Morgen früh geht sein Flugzeug nach Moskau.«
Loders Chef in London war früher Industrieller gewesen. Nach dem Krieg hatte er in Anerkennung seiner Dienste in der Kriegsindustrie einen Titel bekommen und zusätzlich noch, für Dienste ganz anderer Art, einen hohen Orden.
Er war äußerlich eine ganz durchschnittliche Erscheinung, weder groß noch besonders gut aussehend, sein Haar war dünn, und seine Augen verbargen sich hinter dicken Gläsern. Als einzige Erinnerung an seine Militärzeit trug er einen sorgfältig gestutzten Schnurrbart.
Seine ersten Erfahrungen im Geheimdienst hatte er im Frieden erworben, im Mittleren Osten und in Indien, damals noch ohne militärischen Rang. Während des Krieges, als die Abwehr der Streitkräfte sich eine Zeitlang durch blamable Fehlgriffe ausgezeichnet hatte, besann man sich auf begabte Amateure, die man lose in der S.O.E, zusammenfasste. Er wurde ziemlich schnell Brigadier und war schließlich in dem Teil des Intelligence Service tätig, der der Marine unterstand.
Dieser Mann gehörte zu den seltenen Persönlichkeiten in der Spionage, die sich zwar durch Mut und Initiative auszeichneten, aber zu gerissen waren, sich einfangen zu lassen und den Heldentod zu sterben. Er war ein großartiger Organisator, besaß außerordentliche Erfahrungen im aktiven Einsatz, was man durchaus nicht von allen führenden Köpfen des Geheimdienstes der anderen Sektionen behaupten konnte, und außerdem hatte er die Gabe, die richtigen Leute am richtigen Platz einzusetzen, wobei er genau wußte, was er von jedem erwarten und verlangen konnte.
Nach dem Krieg war er zunächst wieder in der Industrie tätig, und als er schließlich geadelt wurde, zog er sich scheinbar in den Ruhestand zurück, womit für die Öffentlichkeit sein Berufsleben beendet schien. In Wahrheit wurde er zu jener Zeit der Kopf des gesamten S.I.S. des Secret Intelligence Service, und regierte nun in den geheiligten Hallen am Queen Anne's Gate.
Am Freitagnachmittag wurde Loder dort empfangen. Auch das war früher nicht üblich gewesen. Der Vorgänger des jetzigen Geheimdienstchefs hätte weder sein Büro nach dem Mittagessen aufgesucht, noch hätte er sein Wochenende, das Freitag Mittag begann, durch irgendein Ereignis beeinträchtigen lassen, es sei denn, ein Krieg stände vor der Tür.
»Setzen Sie sich, Loder. Sie sehen gut aus. Washington bekommt Ihnen gut?«
»Ja, Sir. Ich komme gut zurecht.«
»Tut mir leid, daß ich Sie quasi über Nacht hierher beordern mußte. Wir haben ein Nummer-eins-Memo vom Geheim Außen gehabt.«
Der Chef liebte Abkürzungen, Loder kannte das schon. »Da ist offenbar eine große Schweinerei im Gange, und es ist nötig, daß das in der Familie bleibt. Daher benützte ich den Namen Ihrer Frau und die Krankheitssache in meinem Kabel.«
»Ich habe es so verstanden, Sir. Ich habe in der Botschaft mitgeteilt, daß ich nach London müsse, weil meine Frau krank sei. Das ist alles in Ordnung. Was ist los?«
»Mittlerer Osten. Eine verfluchte Ecke sowieso, eine Krise nach der anderen, Juden, Araber, mit allen der gleiche Ärger. Wie auch immer, da war etwas im Gange, angeregt vom State Department. Ein Vermittler aus Israel sollte einen von den früheren Ägyptern treffen, ganz inoffiziell, ganz geheim – Sie verstehen? Gut. Man muß alles mal versuchen. Wer nicht wagt – nicht gewinnt, na und so weiter.
Die israelische Regierung war einverstanden, solange das Gesicht gewahrt blieb, vor allem das Geheimnis. Sie hatten den richtigen Mann für diese Mission schon ausgewählt, und die Ägypter hatten zugestimmt, daß sich der Abgesandte von ihnen zur gleichen Zeit am gleichen neutralen Ort befinden würde, ganz zufällig natürlich. Selbstverständlich bestand auch Ägypten auf strikter Geheimhaltung.
Es wäre ein Versuch gewesen. Und mehr als das, Loder, Sie müssen es richtig sehen, es hätte gezeigt, von uns aus, vom Westen aus gesehen, daß Ägypten bereit wäre, sich vom russischen Einfluß zu lösen.«
»Und warum sollten sie das? Sie entschuldigen die Zwischenfrage, es interessiert mich nur«, sagte Loder.
»Die Frage ist berechtigt. Nun – man könnte sagen: zum Selbstschutz. Denn die Tätigkeit der arabischen Guerilla wächst ihnen langsam über den Kopf, die können das
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