Weißer Mond von Barbados
heimlich? Was für eine miese Schweinerei ist es diesmal?«
Er begriff gar nicht, in welche Richtung sie zielte. In seinen Augen war seine Schuld so offensichtlich, daß er gar nicht auf die Idee kam, sie spüre einer sexuellen Affäre nach.
»Es ist keine miese Schweinerei«, sagte er. »Aber du wirst es sowieso nicht verstehen. Du hattest niemals in deinem Leben ein Ideal.«
»Ein was!?« Sie wurde auf einmal blaß unter ihrem schönen Hut. »Ideal?«
»Ideal!« wiederholte Fergus. »Das Ideal, das Los der Menschen zu verbessern. Ich glaube daran. Du nennst es eine Schweinerei. Verrat, irgend so etwas. Aber ich sehe es anders. In meinen Augen ist das, was ich tue, recht und gut.«
Er stand gerade aufgerichtet vor ihr. Und ihr war, als seien ihre Beine plötzlich abgebrochen. Sie sank in den Sessel, der vor dem Toilettentisch stand, und umklammerte den Tisch mit beiden Händen. Ihre Hände zitterten so, daß die Fläschchen, die darauf standen, klirrten.
»Verrat!« flüsterte sie. »Verrat … Lieber Gott! Das ist es, was du tust?«
Ihr Mund war geöffnet, in ihren Augen stand ein so nacktes Entsetzen, daß Fergus unsicher wurde.
»Wer bezahlt dich?«
Er schüttelte den Kopf. »Ich werde nicht bezahlt dafür, Margret.«
»Die Russen – Haben sie dich in der Hand? Weil du ein Schwuler bist?«
»Nein«, sagte er. »Du verstehst immer noch nicht. Keine Erpressung. Niemand zwingt mich. Ich tue es freiwillig. Aus Überzeugung. Ich habe daran geglaubt seit meiner Zeit in Cambridge.«
»Geglaubt? An was?« Sie spuckte die Worte fast aus. Langsam wich die Lähmung, ein Hass stieg in ihr auf, so gewaltig, so überwältigend, daß sie ihm am liebsten mit den Händen das Gesicht zerkratzt und dann den Hals zugedrückt hätte.
»Kommunismus«, sagte er gelassen. »Ich bin ein Kommunist. Ich war es schon, bevor ich dich kannte.« Er hob in einer leichten, eleganten Geste die Hand. »Tut mir leid, ich weiß, das ist ein neuer Schock für dich. Ich wünschte nur, du könntest verstehen, was ich fühle. Aber es war ja nie möglich, mit dir über Dinge zu sprechen, die wirklich wichtig sind.«
Er wandte sich ab, er war nicht im mindesten aufgeregt. Jetzt nicht mehr. Nur schwach fühlte er sich, ihm war übel. Trotz allem verletzte er sie ungern.
Zu seinem Erstaunen brach sie in Tränen aus. Er wußte nicht, wann er sie das letztemal hatte weinen sehen, es war viele Jahre her. Der Anblick ängstigte ihn, er fühlte sich nun schuldbewusst. Er zog ein Taschentuch heraus und näherte sich ihr unsicher. – Mit einer wilden Bewegung schlug sie nach seiner Hand.
»Komm mir nicht nahe! Wage es nicht, mir nahe zu kommen, du dreckiger, elender Verräter! – Ein Verräter! Ein Kommunist! Ein Spion! Da stehst du und sagst mir ins Gesicht, du seist ein Kommunist! Und hast noch die Stirn, mir vorzuwerfen, ich verstehe dich nicht.«
»Schrei nicht so. Es könnte dich jemand hören.«
»Ja«, schrie sie, noch lauter, »ja, das könnte wohl sein. Jetzt hast du wohl Angst? Hier, nimm das gemeine Ding!« Sie warf mit Vehemenz das Feuerzeug nach ihm, verfehlte ihn, es prallte gegen die Wand.
Mit bebenden Händen begann sie auf ihrem Toilettentisch herumzusuchen, verstreute Puder, starrte in ihr weißes Gesicht im Spiegel. »Mach, daß du rauskommst«, sagte sie. »Mach, daß du rauskommst aus meinem Zimmer! Ich habe eine Verabredung mit den Marches, ich bin sowieso schon zu spät dran. – Geh mir aus den Augen!«
Er hob das Feuerzeug auf. Es lag schmiegsam und glatt in seiner Hand, seine Finger umschlossen es geradezu liebevoll. Es war seine Erfindung, war nach seinen Angaben gefertigt worden. Er steckte es in die Tasche und ging aus dem Zimmer, die Tür leise hinter sich schließend. Er machte niemals Lärm, wenn es sich vermeiden ließ.
Seine Großmutter, eine würdevolle und schöne Frau, hatte einmal gesagt, er war damals noch ein Kind: Ein Gentleman wirft niemals die Tür hinter sich zu.
Es galt einem Mann, einem Bekannten der Familie, der die Tür unbeherrscht geschlossen hatte. Nach diesem Urteilsspruch der Großmama wurde er im Hause nicht mehr vorgelassen.
Fergus ging langsam und bedächtig die Treppe hinab, zurück in sein Arbeitszimmer. An seine Kindheit dachte er gern zurück, man hatte ihn sorgfältig erzogen, er war ein umgängliches freundliches Kind gewesen, das niemandem Schwierigkeiten machte. Dort war der Grund für seine spätere Entwicklung nicht zu suchen. Am meisten hatte er sein Kindermädchen
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