Weißer Mond von Barbados
können nicht ewig hier sitzen«, sagte Judith. »Wir sind die letzten. Warum kann denn bloß Nancy heute nicht mit einem ihrer verdammten Kerle unterwegs sein? Ausgerechnet heute ist sie zu Hause.«
»Was hast du gemacht, wenn Richard Paterson dich besuchte?« fragte er. »Seid ihr in ein Hotel gegangen?«
»Nein. Ich habe es ihr vorher gesagt. Und er kam sowieso meist am Nachmittag. Sie arbeitet oft bis um sieben Uhr.«
»Judith!« – Sein Blick war wach, er sah sie aufmerksam an.
»Ja? Was ist? Warum siehst du mich so an …? Oh, nein, nein, nicht er. Nicht Richard.«
Er hob die Schultern. »Na gut, ich verstehe, war nur so eine Idee von mir.«
»Ich will nicht mehr mit ihm zusammentreffen«, sagte sie unglücklich. »Bitte – gibt es denn keinen sonst?«
»Sicher, lass uns nachdenken. Es wird uns etwas einfallen.«
Er winkte und bestellte die Rechnung.
Sie saßen schweigend, bis er bezahlt hatte.
Draußen auf der Straße nahm er ihren Arm.
»Ich bring dich heim«, sagte er. »Und dann fahr ich zurück zur Botschaft. Mach dir keine Sorgen mehr.«
Er drückte ihren Arm an sich. »Bis morgen früh wird mir etwas eingefallen sein. Vielleicht ist Loders Assistent dann zurück.«
»Oh, sei doch nicht dumm«, rief sie und brach in Tränen aus. – »Natürlich werde ich Richard anrufen. Gleich morgen früh.«
Rachel Paterson bekam jetzt manchmal in der Nacht quälende Leibschmerzen. Nicht weil sie zu viel gegessen hatte, sondern weil das kleine Ding in ihrem schwer gewordenen Leib sich heftig regte. Natürlich war das auch am Tage nicht angenehm, aber die Nächte waren das schlimmste, fand sie. Keine Nacht konnte sie ruhig durchschlafen. Richard war ins Gästezimmer gezogen. Er müsse schließlich arbeiten und brauche seinen Schlaf, hatte er kühl gesagt. Rachel war ein wenig gekränkt, denn sie hatte sich immer bemüht, ganz leise zu sein, wenn sie nachts aufstand. Aber bis sie sich aus der gemeinsamen Bettdecke herausgewühlt hatte, wachte er auf und reagierte ziemlich unfreundlich auf die Störung seiner Nachtruhe.
Es war jedoch eine ganz gute Lösung, sah sie nachher ein, nun konnte sie jederzeit aufstehen, wenn sie sich nicht wohl fühlte. Manchmal schlief sie dann dafür am Morgen lange. – Auch an diesem Sonnabendmorgen war sie noch einmal fest eingeschlafen. Sie freute sich immer auf das Wochenende, da war Richard meist besserer Laune; am Vormittag ging er zum Golfspielen, nachmittags gingen sie ins Kino, oder es kamen Freunde zum Bridge.
Abgesehen von den Belästigungen ihres Zustandes fühlte sich Rachel ganz wohl. Der Arzt hatte ihr versichert, daß sie gesund sei und alles gut gehen würde. Ihre Mutter hatte ihr geschrieben, daß sie zur Geburt des Kindes herüberkommen werde, auch sonst waren alle Leute nett zu ihr, und mit Richard ging es besser als erwartet.
Gegen acht erwachte sie plötzlich vom Läuten des Telefons. Schlaftrunken langte sie nach dem Telefonhörer.
»Hallo! Ist dort Washington 27 56 80?« fragte eine Frauenstimme.
»Ja«, murmelte Rachel noch halb im Schlaf, doch da hörte sie bereits die Stimme ihres Mannes von einem anderen Anschlußapparat.
»Hallo?« sagte er.
»Richard? Hier ist Judy.«
Das machte Rachel wach. Sie preßte den Hörer ans Ohr. Judy! – Und das morgens um acht.
Eigentlich hätte sie den Hörer auflegen müssen, aber nun war sie doch neugierig, wer das sein könnte. Es ging auch gleich sehr interessant weiter.
»Richard! Ich muß dich sprechen. Und zwar heute noch.« Zugegeben, Richard verhielt sich ablehnend. Er war kurz angebunden und schien sogar ärgerlich zu sein über den Anruf. Unter anderem sagte er zu der Fremden, daß er sie nicht zu sehen wünsche, alles sei ja nun wohl vorbei und erledigt, und sie möge sich bitte daran halten. Doch die Frau gab nicht nach, ihre Stimme klang eindringlich, direkt beschwörend, und schließlich sagte sie, sie würde nach Washington kommen und ihn aufsuchen, falls er nicht seinerseits sofort zu ihr käme.
An dieser Stelle warf Rachel den Hörer wütend auf die Gabel, es war ihr egal, ob man es hörte.
Fünf Minuten später erschien Richard bei ihr im Schlafzimmer.
Es war dunkel, die Vorhänge noch zugezogen, Rachel lag im Bett und schluchzte.
Richard war wütend. Erstens über den Anruf, zweitens, daß seine Frau mitgehört hatte.
Stephensons Warnung klang ihm noch im Ohr. Judith galt als unzuverlässig, vom Umgang mit ihr sei abzuraten. Und nun drängte sie ihn, sie zu treffen. Drohte ihm
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