Weißer Mond von Barbados
erreichen.
Nein – die beste Art wäre es, auf irgendeine harmlose plausible Weise die Vereinigten Staaten zu verlassen. Und dort mußten Loders Leute ihn in Empfang nehmen, sie mußten vor dem KGB da sein. Was schwierig war, denn er wußte schließlich, wie tüchtig der KGB war, es war seine eigene Organisation. Der kleinste Fehler, die winzigste Unachtsamkeit würde verhängnisvoll sein.
Seine Gedankengänge bewegten sich gewissermaßen auf zwei Ebenen: er spielte die Rolle des Verfolgten und die Rolle des Verfolgers. Er brauchte nur darüber nachzudenken, was er tun würde, wenn er noch an diesem Schreibtisch sitzen und einen Entflohenen wieder einfangen oder, falls nötig, töten wollte.
Langsam nahm ein Plan in seinem Kopf feste Gestalt an. Und in der vergangenen Nacht, in der er kaum geschlafen hatte, war ihm die Lösung eingefallen.
Erst einmal ein Gespräch mit Golitsyn, ein ganz gewöhnliches Routinegespräch. – Er beauftragte Anna Skriabine, dem General seinen Besuch anzukündigen.
General Golitsyn sah auch nicht gerade gut aus, er schien in wenigen Tagen älter geworden. Zur Begrüßung stand er auf wie immer und erkundigte sich höflich, ob Genosse Sverdlov Tee oder Whisky wünsche. Sverdlov wählte Whisky. In den letzten Tagen hatte er wenig getrunken, um einen klaren Kopf zu behalten. Nun jedoch war es besser, den angebotenen Whisky zu akzeptieren, er mußte sich davor hüten, auch nur die geringste Veränderung seiner Gewohnheiten zu zeigen.
Golitsyn war überaus höflich, von der Feindschaft, die man manchmal gespürt hatte, war nichts mehr zu merken. Sverdlov trank ihm zu und verzog den Mund zu seinem schiefen Lächeln. Eine Weile sprachen sie über alltägliche Arbeitsvorgänge, dann sagte Sverdlov in gleichmütigem Ton: »Übrigens habe ich Schwierigkeiten mit Mrs. Farrow.«
»Oh«, meinte der General, »wie schade! Ich dachte, das wäre so gut wie erledigt.«
»Das dachte ich auch. Aber es wird erst erledigt sein, wenn sie mir den ersten Report geliefert hat, dann kann sie nicht mehr zurück. Offen gestanden, ich habe mir eingebildet, ich hätte sie soweit. Aber sie ist eine recht sensible junge Dame, voller Hemmungen. Und dazu etwas romantisch veranlagt. Aber ich hoffe, daß ich es am nächsten Wochenende schaffe. Ich muß einfach ein paar Tage lang ununterbrochen mit ihr zusammen sein. Manchmal kann es recht schwierig sein, eine Frau zu verführen, wie du vielleicht weißt, Genosse.«
»Ich bin zu alt, um mich daran zu erinnern«, sagte der General. »Immerhin – ich könnte mir vorstellen, je schwieriger die Vorbereitungen, um so – eh, angenehmer das Ergebnis.«
Sverdlov grinste wieder aus dem Mundwinkel. »So kann man es sehen. Für gewöhnlich würde ich es vielleicht sogar genießen. Aber zur Zeit bin ich etwas abgelenkt. Und in Eile. Ich möchte möglichst bald zu meiner Frau fahren. Diese ungewisse Situation belastet mich. Ich habe ihr bereits heute ein Telegramm gesandt.«
»Ich verstehe«, sagte der General. »Es ist im Moment für dich nicht so leicht, eine Entscheidung zu treffen, Genosse.«
»Ich habe mich natürlich für meine Pflicht entschieden«, sagte Sverdlov mit dem Pathos, von dem er wußte, es würde dem General gefallen. »Diese Frau wäre außerordentlich wertvoll für uns. Sie hat Zugang zu Nielsons gesamter Korrespondenz, nicht nur die offizielle, auch die persönliche. Er hat keinerlei Geheimnisse vor ihr. Sie hat es mir selbst erzählt. Sie hat sogar den Schlüssel zu seinem Safe. Nielson hat sehr gute Verbindungen zum Präsidenten, er kennt den halben Senat, er trifft diese Leute bei vielen gesellschaftlichen Anlässen. Es war wirklich ein glücklicher Zufall, daß ich Mrs. Farrow kennen lernte, und es wäre unverzeihlich, wenn ich jetzt aufgeben würde. Sie könnte einer unserer wichtigsten Agenten hierzulande werden. – Nein, ich kann jetzt nicht aufgeben. Du kennst ja das Sprichwort, Genosse: Frauen und Pferde darf man nicht stehen lassen, man muß sie ständig bewegen. Ich habe mir gründlich überlegt, was zu tun ist, und bin zu dem Entschluß gekommen, daß ein ganzes zusammenhängendes Wochenende mit Mrs. Farrow wohl sehr hilfreich wäre. Ich denke, daß ich es dann geschafft habe und mich endlich meinen eigenen Angelegenheiten widmen kann. Sie wird mir die Kopie eines wichtigen Briefes von Nielson mitbringen, dann ist sie festgenagelt.«
»Hast du schon darüber nachgedacht, wer sie betreuen soll, solange du verreist bist? Gerade am
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