Weißer Mond von Barbados
wissen.«
»Es ist verschieden, nicht? Bisher hielt ich es immer für leicht. Ich werde offenbar alt. Oder ich mache es ganz falsch.«
»Darauf kommt es eben an.«
»Worauf?«
Er blickte sie sehr genau an. Sein Blick glitt über ihr Gesicht, ihre Brust, er tat so, als betrachte er sie zum erstenmal genauer. Sein Blick machte ihr Angst. Sie hatte mit vielen Männern geschlafen, es gehörte meist zu ihrer Arbeit, und sie hatte sich nicht viel dabei gedacht. Bei dem Gedanken, mit Sverdlov ins Bett zu gehen, lief ihr ein Schauer über den Rücken.
»Also – worauf kommt es an?«
»Auf die Frau. Und auch auf den Mann natürlich. Was er wirklich von ihr will. Und was sie glaubt.«
Ein leichtes Rot stieg in ihre Wangen, sie sah außerordentlich hübsch aus. Kein Vergleich mit Kalinin, der würde zur Zeit weniger wiegen als sie.
»Sie soll glauben, daß ich sie liebe«, sagte Sverdlov. »Und das gelingt mir offenbar nicht, daß sie es glaubt. Vielleicht denke ich zuviel an eine andere Frau.«
Wieder ein Blick von ihm, der sie noch unsicherer machte. »Ich sollte mich besser beherrschen. Sie muß einfach glauben, daß ich sie liebe. Wenn eine Frau das glaubt, dann tut sie alles, was ein Mann will, nicht wahr?«
»Ja. Ja, das ist so, Genosse.«
»Na, dann sind wir uns ja einig«, er lächelte sein schiefes Lächeln aus dem Mundwinkel. »Ich muß mich nur ein bißchen anstrengen. Das mach' ich übers Wochenende. Und wenn ich dann die Dame so weit habe, kann ich endlich wieder ausschlafen. Dann fliege ich nach Moskau, und wenn ich wiederkomme – nun, wir werden sehen.«
Das Mädchen lächelte, ihre Lippen öffneten sich ein wenig, die rosige Spitze ihrer Zunge war zu sehen.
»Ich hole Ihnen Tee«, sagte sie.
Als sie mit dem Tee wiederkam, sagte er: »Ich habe es mir überlegt, ich schreibe keinen Brief, wir schicken ein Telegramm, das geht schneller. Sie können es gleich zum Code-Offizier bringen.«
Es mußte so aussehen, als sei er ungeduldig. Und ein Brief wurde unnötig aufgehalten, Golitsyn mußte ihn erst öffnen und lesen, das Telegramm konnte Anna ihm im Vorübergehen zustecken.
›Bin leider noch für einige Tage verhindert. Bitte unternimm nichts, ehe wir uns gesprochen haben. Ich erhoffe eine Versöhnung. Feodor.‹
Das klang Golitsyn gut in den Ohren, und das würde, was noch wichtiger war, Panyushkins langen Arm, der schon nach ihm ausgestreckt war, noch ein bißchen in der Schwebe halten.
Von Golitsyns Trip nach New York hatte Sverdlov inzwischen erfahren. Der Alte blieb ihm also auf den Fersen. Ohne Zweifel ließ er ihn überwachen. Nur seine Arbeit an Mrs. Farrow gewährte ihm eine geringe Bewegungsfreiheit. Es würde gut sein, mit Golitsyn darüber zu sprechen.
Sein Kopf arbeitete mit gewohnter Präzision und Konzentration. Er dachte so klar wie lange nicht mehr. Damals, ehe er nach Barbados fuhr, war er träge und unlustig gewesen, seine Arbeit befriedigte ihn nicht mehr, alles kam ihm sinnlos vor.
Jetzt mußte er sein Leben retten. Jetzt kämpfte er um die Zeit, die ¡hm blieb. Das hatte seine Aktivität zurückgebracht. Es war ein Kampf auf Leben und Tod, und er kannte seine Feinde. Tomarov, der Freundschaft heuchelte, um ihn ans Messer zu liefern, Elena, seine Frau, mit ihrem übersteigerten Fanatismus, die es kaltblütig zuließ, daß man ihn tötete. Golitsyn, dieser bösartige alte Wolf, mit dem alles begonnen hatte, der ihn belauert und bespitzelt hatte, um ihn zu vernichten. Der Kalinin auf dem Gewissen hatte und ihm diese Zuckerpuppe hier ins Büro gesetzt hatte, die um ihn herumsäuselte. Sie waren seine Feinde, und er hasste sie alle.
Dieser Hass gab ihm die Kraft für diesen erbarmungslosen Kampf. Es gab keine Gerechtigkeit, sie hatten ihn verdammt, ohne ihn zu hören. Sie würden ihn nicht kriegen, nicht lebendig. Sie hatten ihn verraten, und das gab ihm das Recht, sie ebenfalls zu verraten.
In den vergangenen Tagen hatte er sich der Reihe nach alle möglichen Pläne ausgedacht, um zu entkommen. Der einfachste Weg bestand natürlich darin, in die Britische Botschaft zu gehen und um Asyl zu bitten. Mit einem Dokument aus der Akte ›Blau‹ würden sie ihn sicher gern aufnehmen. Obwohl ihnen natürlich der Protest der Sowjets und der damit verbundene Ärger unangenehm sein würde.
Dieser einfachste Weg war zugleich der gefährlichste. Wenn er überwacht wurde, woran er nicht zweifelte, würde es ihm nicht gelingen, lebendig die Botschaft eines westlichen Landes zu
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