Weisser Oleander
Glück.«
Ich gab ihm einen Dollar, und er überreichte mir die Marienkäfer in ihrer Plastikkugel, die Sorte, die es sonst, mit Ringen und Plastikfigürchen gefüllt, im Kaugummiautomaten gab.
Im Van machten wir eine Pause mit unseren warmen Doughnuts und dem Kaffee. Zuckerkrümel fielen auf unsere Kleider. Das Schlimmste an der Ripple Street war das Essen. Wir ließen jeden Abend irgendetwas aus einem Take-away-Restaurant kommen. Bei Rena kochte niemand. Sie besaß noch nicht mal ein Rezeptbuch. Ihre verbeulten Recycling-Tonnen waren mit einer dicken Staubschicht überzogen. Vier Frauen in einem Haus, und keine wusste, wie man irgendetwas kochte, keine hatte überhaupt Lust dazu. Wir riefen lieber bei Tiny Thai an. Für Leute, die anhielten, um leere Bierflaschen einzusammeln, schmissen wir das Geld nur so aus dem Fenster.
Während wir auf die andere Seite des Sees fuhren, drehte ich meine Plastikkugel langsam hin und her und schaute mir an, wie die Marienkäfer rannten, um aufrecht zu bleiben. Sie waren gesünder, als man meinen sollte. An diesem Morgen gefangen. Ich stellte mir vor, wie der Marienkäfermann mit seinen geduldigen blauen Augen den taubedeckten Fenchel nach roten Punkten absuchte.
Wirf ihn wieder zurück , hatte Claire gesagt. Er ist so lebendig .
Aber sie brachten Glück, das hatte zumindest der Marienkäfermann gesagt.
Zwischen den Vordersitzen hindurch sah ich den Silver Lake, der, eingebettet in sein Nest aus Hügeln, den wolkenlosen Himmel spiegelte. Er erinnerte mich an einen Ort in der Schweiz, an dem ich mal mit meiner Mutter gewesen war. Ein Berg fiel steil in den See hinab, am Abhang lag die Stadt. Es gab Kamelien und Palmen und hohe, schmale Fensterläden, und es hatte angefangen zu schneien, während wir zu Mittag aßen. Schnee auf rosa Kamelien.
Jetzt waren wir auf der besseren Seite des Sees. Der Morgen duftete süßlich nach den großen Johannisbrotbäumen. Sehnsüchtig betrachteten wir die großen Häuser – spanischer Stil, Cape Cod, New Orleans – und malten uns aus, wie es wäre, so wirklich zu sein. »Das da ist meins«, sagte Yvonne und zeigte auf ein Haus im Tudorstil mit einer Auffahrt aus roten Klinkern. Niki gefiel ein modernes, ganz aus Glas; an den Decken konnte man Lampen im Stil der fünfziger Jahre und ein Mobile von Calder sehen. »Ich will kein bisschen Trödel in meinem Haus haben«, sagte sie. »Ich will es ganz kahl. Chrom und schwarzes Leder.«
Während wir über die Serpentinenstraße den Hügel hochfuhren, kamen wir an einem Haus vorbei, in dem jemand vor der Arbeit Klavier übte. Es war ein Haus im spanischen Stil, weiß mit einem roten Ziegeldach; im winzigen Vorgarten hinter dem schmiedeeisernen Zaun stand eine Lebenseiche. Es sah so sicher aus; etwas, das die Schönheit festhalten konnte, wie ein forellenglitzerndes Flussbecken.
Rena merkte, wie ich es betrachtete, während wir vorbeifuhren. »Du denkst, die haben keine Problem?«, sagte sie. »Jeder hat Problem. Ihr habt mich, die haben Versicherung, Haus bezahlen, Hämorrhoiden.« Sie grinste und enthüllte die Lücke zwischen ihren Vorderzähnen. »Wir sind die freien Vögel. Die wollen sein wie wir.«
Wir hielten vor einem Haus weiter oben auf dem Hügel; sie hatten Sperrmüll am Bordstein stehen. Ich sprang aus dem Auto, holte das Babygitter, den Hochstuhl mit blauen, essenbespritzten Polstern, den Laufstall und den Wippstuhl. Yvonnes Augen verdunkelten sich, als sie sah, was ich ihr anreichte. Ihre rote Gesichtsfarbe verblich zu beige; sie presste die Lippen aufeinander. Sie griff den Stuhl und warf ihn unnötig heftig in den Laderaum.
Als wir weiterfuhren, rollte sie sich auf dem Autositz zusammen, nahm ihr Seventeen-Heft und blätterte mit zitternden Fingern die Seiten um. Sie klappte das Heft zusammen und starrte das Mädchen auf dem Cover an; ein Mädchen, das nie schwanger gewesen war, das nie einen Sozialarbeiter oder auch nur eine Zahnfüllung gebraucht hatte. Yvonne strich über den feucht gewellten Umschlag. Mir war klar, dass sie gern erfahren hätte, was dieses Mädchen wusste, dass sie sich gern so gefühlt hätte wie sie, so schön, begehrt, zuversichtlich. Wie Leute, die eine Heiligenfigur berühren.
»Glaubst du, dass mir Blond stehen würde?« Yvonne hielt das Cover neben ihr Gesicht.
»Mir hat es nie besonders viel genützt«, sagte ich, während ich die Marienkäfer drehte, sie im Kreis laufen ließ.
Ich sah Claires Gesicht vor mir, wie sie mich am Ufer des McKenzie
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