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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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pausbäckigen Bauersfrau mit dem orangen Kopftuch? Für Sie nur zehn Dollar. Ein Strauß Seidenblumen, mit Perlen bestickt? Sprechen Sie mit Rena, dann können Sie ihn für sieben fünfzig haben. Wir hatten einen flauschigen Perserteppich und einen massiven Eichentisch, der nur ein kleines bisschen schief war, fünf verschiedene, nicht zueinander passende Stühle, heute im Angebot. Wir hatten ein riesiges Tiki-Salatbesteck und eine vollständige »Encyclopaedia Britannica« aus dem Jahre 1962. Wir hatten drei struppige weiße Katzen und überall Katzenhaare und Katzengeruch. All das und dazu eine altmodische Stereoanlage in einer Kirschholzvitrine und einen Plattenstapel aus den Siebzigern, der höher war als Bowies Plateauschuhe.
    Und unsere Kleider, Mutter, wie gefallen dir unsere Kleider? Polyester-Tops und lila Stretchhosen, gelbe T-Shirts mit dicken Reißverschlüssen. Kleidungsstücke quollen aus allen Schränken, bis sie uns nicht mehr gefielen, dann verkauften wir sie und kauften uns etwas anderes. Du würdest das Mädchen nicht wiedererkennen, in das ich mich verwandelt habe. Mein Haarschnitt wächst heraus, ich habe eine Jackie-O-Sonnenbrille gefunden und trage sie die ganze Zeit.
    Meine Kleider sind nicht mehr da, die Kleider des reichen Waisenkindes von Fred Segal und Barney’s New York. Rena hat mich dazu gebracht, sie zu verkaufen. Ich bin mir sicher, das findet dein Wohlwollen. An einem Samstag luden wir unseren Trödel auf dem Parkplatz von Natalia’s Nails aus. Ich baute gerade Kaffeetassen auf, als ich sah, wie Rena meine Kleidung aus einer schwarzen Mülltüte zog. Mein französischblauer Tweedblazer, mein Trägerkleid von Betsey Johnson, mein Myrna-Loy-Pyjama. Sie hängte sie auf Bügel an die fahrbare Kleiderstange.
    Ich riss sie von der Stange herunter und stand zitternd da. Sie hatte meine Schubladen durchsucht, in meinem Schrank herumgestöbert. »Die gehören mir.«
    Rena ignorierte meinen Protest, schüttelte einen rosa-grauen langen Rock aus und klammerte ihn an einem Bügel fest. »Wofür du brauchst? Rausputzen für Marshall High School? Vielleicht für Tiny Thai, für Einkaufen bei Trader Joe? Vielleicht ›Melrose Place‹ dich entdecken, und du wirst große Star?« Sie bückte sich, zog einen Schwung Fred-Segal-T-Shirts aus der Tüte und ließ sie mir in die Arme fallen. »Da!« Dann legte sie eine Rolle Klebeband und einen Stift obendrauf. »Du sagst Preis, du behalten Geld , ladno ?« Sie fuhr fort, meine Sachen aus Plastikmülltüten zu ziehen und sie aufzuhängen.Taubengraue Hosen mit hochgezogenem Bündchen, ein dazu passendes Jackett im Stil der Jahrhundertwende, einen pechschwarzen Samtkragen. Eine weiße Bluse mit gerüschtem Vorderteil. Mein Jessica-McClintock-Kleid mit dem weißen Kragen aus Lochspitze.
    »Nein, nicht das. Komm, hab ein Herz!«
    Rena verdrehte die Augen und blies sich wütend eine Strähne ihres zotteligen Haares aus dem Gesicht. »Du bekommst gute Preis dafür. Wofür du hebst auf, für Teestunde mit kleine Zarewitsch Alexej? Haben ihn erschossen 1918.« Sie nahm das Kleid aus der Tüte, schüttelte es aus und hängte es auf. »Ist Tatsache!«
    Ich stand da, die Arme voll mit seidigen T-Shirts aus ägyptischer Baumwolle. Eine Zange drückte mir die Kehle zusammen, presste sie aus wie eine saure Zitrone. Sie konnte mich nicht zwingen, meine Kleider zu verkaufen. Die alte Hexe.
    Doch die Frage, wofür ich sie eigentlich noch aufhob, ließ sich nicht verdrängen. Wann würde ich je wieder ein Zweihun-dert-Dollar-Kleid von Jessica McClintock brauchen? Es war ein Kleid für Gänsebraten mit Maronenfüllung, für Puccini-Opern im Music Center, für Porzellantassen mit Goldrand. Ich betrachtete Rena in ihrer glänzenden roten Bluse – die obersten drei Knöpfe offen –, hohen Absätzen und Jeans. Niki, die gerade Küchengeräte aufbaute, mit magentarot gefärbtem Haar und der schwarzen Polyesterkleidung. Yvonne, dick und rund wie eine Wassermelone, in ihrem violetten Baby-Doll-Kleid mit Spiralmuster aus den Sechzigern, die mit traurigem Blick die Babymöbel arrangierte und einen abgeschabten Teddybären in den Hochstuhl setzte.
    Warum konnte nie jemand irgendetwas festhalten? Du hast nie an sentimentale Gefühle geglaubt, Mutter; du hast nur deine eigenen Worte aufgehoben, ein Foto meiner Großmutter und eins von der Kuh, die du in deiner Zeit bei der Landjugend gepflegt hast. Nur Claire hatte die Erinnerung ausgehalten. Es war die Gegenwart, mit der sie nicht

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