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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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wünschte auch, wir wären in Guanajuato geblieben.
    Dann zog Niki aus. Sie schloss sich einer Band aus Toronto an, einer der Bands, die Werner promotete. »Komm doch mit«, sagte sie, während sie ihren Pick-up belud. Ich schenkte ihr einen Koffer mit Zebramuster. Wir lächelten beide, musterten einander, auf der Suche nach Tränen. Sie ließ mir ein paar Adressen und Telefonnummern da, doch ich wusste, dass ich keinen Gebrauch davon machen würde. Ich musste mich damit abfinden, dass Menschen weggingen und man sie nicht wiedersah.
    Binnen einer Woche hatte Rena zwei neue Mädchen in Nikis Zimmer untergebracht, Shana und Raquel, zwölf und vierzehn Jahre alt. Shana war Epileptikerin, und Raquel konnte nicht lesen; sie wiederholte gerade die siebte Klasse. Nachwuchs – noch mehr gebrochene Kinder für Rena Grushenkas Müllverwertung.
    Der September kam mit seinem Feuersaum. Feuer auf dem Angeles Crest. Feuer in Malibu, in Altadena. Feuer überall auf den San Gabriel Mountains, in der San Gorgonio Wilderness; das Feuer war ein flammender Reifen, durch den die Stadt springen musste, ehe sie das Blau des Oktobers erreichte. In Frogtown hatten wir drei Schießereien innerhalb einer Woche: einen Raubüberfall an der ARCO -Tankstelle, einen einsamen Motorradfahrer erwischte es in einer Van-Gogh-Mitternacht in einer Sackgasse, und eine Frau wurde von ihrem Ehemann, einem arbeitslosen Elektriker, während eines Familienstreites erschossen.
    In der glühenden Schmelze der Oleanderzeit rief Susan schließlich an. »Ich hatte eine Verhandlung laufen«, erklärte sie. »Doch jetzt sind wir wieder auf Kurs. Ich habe ein Treffen für dich arrangiert, für übermorgen.«
    Ich war versucht, zu mauern und ihr zu sagen, dass ich keine Zeit hätte, doch schließlich erklärte ich mich einverstanden. Es war mir so recht wie zu jedem anderen Zeitpunkt.
    An einem Morgen, der sich bereits dem peitschenden Wind und der strafenden Hitze ergeben hatte, kam daher Camille Barron, Susans Assistentin, um mich abzuholen, und wir fuhren den langen Weg nach Corona. Im Besucherhof setzten wir uns an einen orangefarbenen Picknicktisch unter dem Sonnenschutzdach, tranken kaltes Sodawasser aus dem Automaten und drückten die kühlen Blechdosen an Stirn und Wangen. Warteten auf meine Mutter. Schweiß perlte mir zwischen den Brüsten herab, den Rücken hinunter. Camille sah in ihrem beigen Etuikleid welk, aber stoisch aus, ihr modischer Kurzhaarschnitt war an den Rändern feucht und verschwitzt. Sie machte sich nicht die Mühe, sich mit mir zu unterhalten; sie war nur das Laufmädchen. »Da kommt sie«, sagte Camille.
    Meine Mutter wartete darauf, dass der Wärter das Tor zum Hof aufschloss. Sie sah immer noch wunderbar aus, dünn und drahtig, das helle Haar hatte sie im Nacken mit einem Bleistift hochgesteckt. Eineinhalb Jahre. Ich stand auf. Sie kam auf uns zu, argwöhnisch, blinzelte in die Sonne; ihre Haarsträhnen wehten im Wind wie Rauch. Ihre gebräunte Haut war faltiger geworden, seit ich sie das letzte Mal gesehen hatte. Sie bekam dieses ledrige Aussehen, wie eine weiße Siedlerin in Kenia. Doch sie hatte sich nicht so stark verändert wie ich.
    Sie hielt inne, als sie unter das Vordach trat, und ich bewegte mich nicht. Sie sollte ruhig sehen, wer ich jetzt war. Mein giftgrünes Polyester-Shirt mit dem Reißverschluss, die Augen dick umrandet mit schwarzem Lidschatten und Eyeliner, die Ohren mit der Oktave aus Ohrringen. Meine fraulichen Beine in einem Rock vom Flohmarkt, den sich Sergej so gern über die Schultern legte, meine Hüften, meine vollen Brüste. Hohe Wedgie-Schuhe mit Plateausohlen aus Kork, die ich mir zur Feier des Tages von Rena geliehen hatte. Nicht das rosa Mädchen in den Abschlussball-Schuhen, nicht das reiche Waisenkind. Ich war jetzt Renas Mädchen. Ich konnte jederzeit als Mädchen durchgehen, das auf dem kürzesten Weg dorthin war, wo meine Mutter sich schon befand. Aber nicht das weiche Mädchen, die Scheckbetrügerin. Sie würde mir nichts abnehmen, nicht mehr.
    Zum ersten Mal lächelte sie bei meinem Besuch nicht. Ich konnte den Schrecken in ihrem Gesicht sehen und freute mich darüber. Die Assistentin ihrer Anwältin blickte uninteressiert zwischen uns hin und her, dann stand sie auf, trat unter den kühleren Betonunterstand des Besucherhofs und ließ uns allein.
    Meine Mutter streckte den Arm aus und nahm meine Hand. Ich ließ sie. »Wenn ich hier herauskomme, werde ich es wieder gutmachen«, sagte sie. »Selbst in

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