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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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nirgendwo in Sicht. Das Laken in deinem Kinderbettchen war offensichtlich bereits versengt. Ein Wunder, dass du nicht bei lebendigem Leibe verbrannt bist. Eine Nachbarin hat dich schreien hören.«
    Ich versuchte mich an den Laufstall zu erinnern, an das Feuer. Ich konnte mich vage an den Geruch von Terpentin erinnern, einen Geruch, den ich immer geliebt hatte. Doch den Geruch des Feuers, diesen durchdringenden Geruch nach Gefahr, hatte ich immer mit meiner Mutter in Verbindung gebracht.
    »Das war das Ende unseres Idylls in Venice Beach. Ich hatte genug von seiner Mittelmäßigkeit, seinen Entschuldigungen. Ich verdiente das bisschen Geld, was wir hatten; er lebte auf meine Kosten, wir hatten kein Zuhause mehr. Ich sagte ihm, dass es vorbei sei. Er war einverstanden, glaub mir, in dieser Hinsicht gab es keine Tränen. Und so endet die Saga von Ingrid und Klaus.«
    Doch ich konnte nur an den großen Mann denken, der mich über die Wellen hob und meine Füße in die Brandung tauchte. Beinahe konnte ich mich daran erinnern. Das Gefühl, wenn die Wellen meine Füße berührten, wie Gelächter sprudelten. Der Geruch des Meeres und das Tosen der Brandung. »Hat er je versucht, mich wiederzusehen, als ich älter wurde?«
    »Wieso willst du diese ganze nutzlose Geschichte wissen?«, fuhr sie mich an und stieß sich von dem Baumstamm ab. Sie hockte sich hin, sodass sie mir in die Augen sehen konnte. Schweißperlen standen ihr auf der Stirn. »Es wird dir nur wehtun, Astrid. Ich wollte dich vor all dem schützen. Zwölf Jahre lang habe ich mich zwischen dich und diese bedeutungslosen Einzelheiten einer fremden Vergangenheit gestellt.«
    »Meiner Vergangenheit«, sagte ich.
    »Meine Güte, du warst ein Baby«, sagte sie, stand wieder auf und strich die Falten aus ihrem Jeanskleid. »Projiziere doch nichts da hinein.«
    »Hat er es versucht?«
    »Nein. Fühlst du dich jetzt besser?« Sie trat an den Zaun, um nach draußen auf die Straße zu blicken; Staub und Abfall flogen im Wind, Müll hing im Unkraut auf der anderen Straßenseite. »Ein- oder zweimal ist er vielleicht vorbeigekommen, um zu sehen, ob es dir gut ging. Aber ich habe ihm ziemlich unverblümt mitgeteilt, dass seine Anwesenheit nicht länger erwünscht sei. Und das war es dann.«
    Ich dachte an ihn, sein Schafsgesicht, die langen blonden Haare. Er hatte mir nicht wehtun wollen. Sie hätte ihm noch eine Chance geben können. »Dir ist nie der Gedanke gekommen, dass ich vielleicht gern einen Vater gehabt hätte.«
    »In grauer Vorzeit hat es auch keine Väter gegeben. Die Frauen kopulierten mit den Männern auf den Feldern, und neun Monate später kamen ihre Kinder. Vaterschaft ist ein sentimentaler Mythos, so wie der Valentinstag.« Sie drehte sich wieder zu mir, ihre aquamarinblauen Augen leuchteten blass in ihrem gebräunten Gesicht wie ein Verbrechen, das hinter einem Vorhang in einem hell erleuchteten Zimmer geschieht. »Habe ich jetzt genug Fragen beantwortet, oder gibt es noch mehr?«
    »Er ist nie wiedergekommen?«, fragte ich leise und betete, dass es nicht wahr sei, dass da mehr sein möge, nur ein Fitzelchen mehr. »Hat dich später nie mehr angerufen und mich sehen wollen?«
    Sie hockte sich wieder hin, legte den Arm um mich und lehnte ihren Kopf an meinen. So saßen wir eine Zeit lang da.
    »Einmal hat er angerufen, als du – ich weiß nicht mehr – sieben oder acht warst.« Sie strich mir mit den Fingern durchs Haar. »Er war aus Dänemark gekommen, mit seiner Frau und seinen zwei kleinen Kindern. Er wollte, dass wir uns in einem Park treffen. Ich sollte auf der Parkbank sitzen und mit dir spielen, damit er dich von weitem sehen konnte.«
    »Sind wir hingegangen?« Ich wünschte mir einfach, dass sie mich weiter festhielt.
    »Es klang für mich wie die Handlung eines schlechten Films«, sagte sie. »Ich habe ihm erwidert, er solle sich zum Teufel scheren.«
    Er hatte angerufen, er hatte mich sehen wollen, und sie hatte nein gesagt. Ohne mich zu fragen, ohne es überhaupt zu erwähnen. Es traf meine Kehle wie ein Schlag mit einem Rohr.
    Ich stand auf und lehnte mich an den Baum, auf die andere Seite des Stammes. Dort konnte sie mich von ihrem Platz aus kaum sehen, aber ich konnte sie hören. »Du wolltest es doch wissen. Dreh keine Steine um, wenn du die blassen Kreaturen nicht sehen willst, die darunter leben.«
    »Weißt du, wo er jetzt ist?«
    »Das Letzte, was ich gehört habe, war, dass er sich einen Bauernhof auf irgendeiner dänischen Insel

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