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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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dieser Schauspielerin aus dem ›Kaktusgarten‹ da, Jill Lewis.«
    Ihr Haar, hell wie ungebleichte Seide, glitt zwischen den Wildschweinborsten hindurch.
    »Mit dem fetten Ziegenbock? Kannst du dir das vorstellen?« Sie konnte es offenbar nicht. Schönheit war meiner Mutter Gesetz, ihre Religion. Man konnte tun, wozu man Lust hatte, solange man schön war, solange man die Dinge schön gestaltete. War man es nicht, existierte man einfach nicht. Sie hatte es mir seit frühester Kindheit eingehämmert. Allerdings hatte ich inzwischen gemerkt, dass die Realität nicht immer den Vorstellungen meiner Mutter entsprach.
    »Vielleicht mag sie ihn«, sagte ich.
    »Sie muss vollkommen verrückt sein«, bemerkte meine Mutter, nahm mir die Bürste ab und bürstete dann mein Haar, wobei sie fest auf meine Kopfhaut drückte. »Sie könnte doch jeden Mann haben! Was findet sie bloß an ihm?«
    Sie traf ihn völlig unverhofft in ihrer Lieblingsbar in der Stadt wieder. Sie sah ihn auf einer Party in Silverlake. Sie konnte hingehen, wo sie wollte – so beschwerte sie sich –, immer war der Ziegenbock schon da.
    Ich vermutete, dass es sich bloß um Zufälle handelte, doch eines Abends während einer Performance in Santa Monica, bei der wir einem ihrer Freunde dabei zuschauten, wie er auf Mineralwasserflaschen schlug und pathetisch die Trockenheit beschwor, sah ich ihn ebenfalls, vier Reihen hinter uns. Er versuchte die ganze Zeit, ihren Blick zu erhaschen. Er winkte mir zu, und ich winkte unauffällig zurück, damit sie es nicht sah.
    Nachdem die Performance vorbei war, wollte ich mit ihm sprechen, doch sie zog mich schnell aus dem Raum. »Ermutige ihn nicht noch!«, zischte sie mir zu.
    Als er auf der alljährlichen Verlegerparty von Cinema Scene auftauchte, musste auch ich zugeben, dass er ihr nachstellte. Die Feier fand draußen im Hof eines alten Hotels auf dem Sunset Boulevard statt. Die Hitze des Tages ließ allmählich nach. Die Frauen trugen hauchdünne Kleider, meine Mutter hatte sich wie ein Falter ganz in weiße Seide gehüllt. Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge zum Vorspeisenbuffet und füllte schnell meine Handtasche mit Dingen, von denen ich glaubte, dass sie ein paar Stunden ohne Kühlschrank überstehen könnten – Krebsscheren und Spargelröllchen, Leber in Schinken –, und da war plötzlich Barry, der seinen Teller mit Garnelen belud. Kaum hatte er mich erblickt, suchten seine Augen die Menge nach meiner Mutter ab. Sie stand hinter mir und schwatzte mit Miles, dem Bildredakteur, einem hageren, stoppelbärtigen Engländer mit gelbfleckigen Nikotinfingern. Sie hatte Barry noch nicht gesehen. Er schob sich durch die Partygäste in ihre Richtung. Ich folgte dicht hinter ihm.
    »Ingrid«, sagte Barry und sprengte ihren Zweierzirkel. »Ich habe schon nach dir Ausschau gehalten!« Er lächelte. Ihr unbarmherziger Blick glitt über seine senffarbene, schiefhängende Krawatte, über das braune Hemd, das an den Knöpfen spannte, über seine unregelmäßigen Zähne, über die Garnele, die er in seiner plumpen Faust hielt. Ich konnte die eisigen Winde Schwedens hören, doch er schien die Kälte nicht zu spüren.
    »Ich habe an dich gedacht«, sagte er und schob sich sogar noch näher.
    »Mir wäre lieber, du würdest das lassen!«, erwiderte sie.
    »Du wirst deine Meinung über mich schon noch ändern«, sagte er. Er tippte sich mit dem Finger an die Nase, zwinkerte mir zu und ging dann zu einer anderen Gruppe von Leuten hinüber, legte seinen Arm um ein hübsches Mädchen und küsste sie auf den Nacken. Meine Mutter drehte sich weg. Dieser Kuss verstieß gegen alle ihre Grundsätze. In ihrem Universum passierte so etwas nicht.
    »Kennst du Barry?«, erkundigte sich Miles.
    »Wen?«, erwiderte meine Mutter.
    In dieser Nacht konnte sie nicht schlafen. Wir gingen runter zum Pool des Apartmenthauses und schwammen langsam, leise plätschernd unter den örtlichen Sternen: der Krebsschere und der Riesengarnele.
    Meine Mutter beugte sich über ihren Montagetisch und schnitt ohne Hilfe eines Lineals in langen, eleganten Strichen die Spalten aus. »Das ist Zen«, sagte sie. »Kein Makel, kein langes Zaudern. Ein Fenster zur Anmut.« Sie sah richtig glücklich aus. So ging es ihr manchmal, wenn sie etwas exakt montiert hatte. Sie vergaß dann völlig, wo sie war, warum sie da war; vergaß, wo sie hergekommen war und lieber wieder sein würde; vergaß alles bis auf die Gabe, eine perfekte, gerade Linie mit der freien Hand zu

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