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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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ich.
    Sie gab mir die Tüte zurück. »Roll uns einen, wir rauchen ihn zusammen.«
    Ich rollte einen Joint auf dem eleganten Tischset mit dem Muster aus Papageien und tropischen Blüten. Ich konnte es nicht besonders gut, doch sie bot nicht an, mir zu helfen. Während wir rauchten, sah ich mich um und dachte darüber nach, wie viel Samenergüssen das alles wohl entsprechen mochte: die gerahmten Drucke mit botanischen Motiven, die Stühle mit den Harfenlehnen, die dicken Holzfensterläden. Es musste ein ganzer Ozean sein. An Olivias Stelle hätte ich nachts Albträume von einem weißen Sperma-Meer und den Albino-Ungetümen, die in seinen Tiefen hausten.
    »Haben Sie gerne Sex?«, fragte ich sie. »Ich meine, macht es Ihnen Spaß?«
    »Alles, was man gut kann, macht einem Spaß«, sagte sie. »Es ist wie bei einem Eiskunstläufer. Oder einem Dichter.« Sie stand auf, streckte sich, gähnte. Ich konnte ihren schlanken Bauch sehen, als sie die Arme über den Kopf hob. »Ich muss ein paar Besorgungen machen. Hast du Lust mitzukommen?«
    Ich war unschlüssig. Vielleicht hatte meine Mutter Recht, vielleicht sollte ich die Flucht ergreifen. Sie könnte mir die Seele stehlen. Sie war schon dabei. Doch wen hatte ich sonst, wo gab es außer ihr noch Schönheit? Wir verabredeten uns an der nächsten Straßenecke, damit Marvel mich nicht in ihre Corvette einsteigen sah.
    Sie hatte das Verdeck heruntergeklappt und sich ein weißes, gepunktetes Seidentuch à la Grace Kelly um Kopf und Hals geschlungen. Konnte es noch eine Frau geben, die so bezaubernd war wie Olivia Johnstone? Ich rutschte auf den Beifahrersitz – so tief unten, dass es einem vorkam, als ob man sich hinlegte –, schnallte mich an und duckte mich, damit mich niemand aus der Nachbarschaft sah, als wir losbrausten.
    An diesem wolkigen Nachmittag verliebte ich mich. In die Geschwindigkeit, in die Straße und die wirbelnde Landschaft, die vorbeirauschte wie bei einem schnellen Kameraschwenk. Normalerweise wurde mir beim Autofahren immer schlecht, doch das Marihuana hob mich darüber hinweg, und Straße und Pinien lösten die düstere Stimmung, die ich seit dem Ereignis im Park mit mir herumgetragen hatte. Zurück blieben nur der Tenorgesang des Motors, der Wind in meinem Gesicht, Olivias konkaves Profil, ihre große Sonnenbrille und Coltranes »Naima«, das sich wie eine Geschichte aus dem CD -Spieler entfaltete. Das Flittchen von nebenan fährt eine verdammte Corvette . Und ich liebte Olivia dafür, dass sie sie mit mir teilte, diese Champagnerperle, die sie aus den Tiefen des weißen Meeres emporgeholt hatte.
    Wir fuhren den Ventura Boulevard entlang, den Coldwater Canyon Drive hoch; die Serpentinen der Straße stiegen und fielen wie Coltranes Altsaxophon. Wir tanzten, verkörperten seine Höhen und Tiefen, während wir die Straße entlangfuhren, vorbei an überladenen Häusern im Ranchero-Stil, an weißem, ornamentverziertem Löschbeton, schwarzen Zypressen, die in einfallslosen Reihen gepflanzt und geometrisch zurechtgestutzt waren, über die Bergkuppe und nach Beverly Hills hinein.
    Jetzt gab es Baumfarne, Böschungen mit Springkraut, Häuser, deren Eingangstüren über zwei Stockwerke gingen, und Gras, so strahlendgrün wie Billardtische. Die einzigen Menschen weit und breit waren die Gärtner mit ihren Laubgebläsen. Wir waren vollkommen frei. Keine Kinder, keine Arbeit, keine Pflegemütter, nur Geschwindigkeit, unsere Schönheit und der gefühlvolle Atem von Coltranes Saxophon. Wer sollte uns etwas anhaben?
    Sie gab ihr Auto vor einem Hotel am Rodeo Drive ab, um es parken zu lassen, und wir bummelten an den teuren Geschäften vorbei und blieben stehen, um die Schaufenster zu betrachten. Wir betraten einen Laden, der so exklusiv war, dass er einen livrierten Portier hatte. Olivia verliebte sich in eine schwarze Krokodilledertasche und bezahlte sie mit Bargeld. Sie wollte mir etwas kaufen. Sie zog mich in ein Geschäft, das ausschließlich Pullover, Tücher und Strickhüte führte. Sie hielt mir einen Pullover ans Gesicht. Er war unglaublich weich. Mir ging auf, dass ich den Möglichkeiten des physischen Seins noch gar nicht genügend Beachtung geschenkt hatte.
    »Kaschmir.« Sie lächelte, ihre vorstehenden Zähne blitzten. »Gefällt er dir?«
    Ich seufzte. Ich hatte das Preisschild gesehen.
    »Braves Mädchen. Aber nicht in Pfirsich.« Sie gab der Verkäuferin, einer selbstgefällig lächelnden Achtzehnjährigen, den Pullover zurück. Das Geschäft roch nach

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