Weisser Oleander
Ray war es nie so gewesen. Da war ein Genuss dem anderen gefolgt; Münder, Hände, Haut, alles war eine Überraschung. Das hier war das Gegenteil von Sex. Ich empfand nichts für diesen Jungen, für seine Körperbewegungen. Es war eher wie Arbeit. Es schnitt der Liebe das Herz heraus und verwandelte Sex in etwas, was so aufregend war wie Zähneputzen. Als der Junge gekommen war, spuckte ich seine bittere Samenflüssigkeit aus und wischte mir den Mund an meinem T-Shirt ab. Ich hatte erwartet, dass er einfach weggehen würde, doch er hielt mir die Hand hin und half mir hoch. »Ich heiße übrigens Conrad«, sagte er. Er war ein fremder Geschmack in meinem Mund, ein Geruch in meinem Haar. Er gab mir die halbe Tüte Pot. »Wenn du noch mal was willst, ich bin immer in der Gegend.«
»Ich werd’s mir merken«, sagte ich, während wir zum Auto zurückgingen und ich Caitlin wieder aufsammelte. Mein erster Zaubertrick, dachte ich und probierte, wie sich das anhörte.
Durch das Küchenfenster sah ich Olivia aus ihrem Haus kommen, in zimtfarbene und beige Seide gekleidet, das Haar zurückgekämmt. Ich schälte gerade Apfelstückchen für Justins und Caitlins Mahlzeit. Ich beobachtete, wie sie in die champagnerfarbene Corvette stieg, rückwärts aus der Einfahrt setzte, und da verstand ich.
Für sie war es ein Job. Sie verdiente sich ihr Auto, ihre Kupfertöpfe genauso wie jemand, der Klebeumbrüche in einer Zeitungsredaktion machte oder Post austrug. Diese Männer waren keine Geliebten, der Rasta-Mann, der BMW -Fahrer. Sie waren Kunden. Das Knien war nur subtiler, der Service diskreter, die Illusion stärker und die Entlohnung keine halbe Tüte Dope.
Ich verkündete Marvel, dass ich trainieren wolle, um für die Armee vorbereitet zu sein. An einem wolkenverhangenen Morgen zog ich meine Turnschuhe an, band mir das Haar zurück, machte ein paar Klappmesser, streckte die Arme zu den Zehenspitzen und dehnte die Unterschenkel am Gartenzaun – ihr zu Ehren bot ich das volle Programm. Die Armee würde mir eine gute Stelle bieten, einen sicheren Job, zusätzliche Sozialleistungen.
Dann joggte ich einmal um den Block und klopfte an Olivias Tür. Sie trug weiße Jeans, Pullover und flache Slipper. An ihr sah es sexy aus; ich fragte mich, wieso. Die Schuhe waren nicht ganz wie College-Schuhe, sondern schmaler geschnitten und mit einer Troddel verziert. Der Pullover betonte sanft ihre Figur, der Ausschnitt enthüllte eine Schulter. Diese Schulter hatte ich schon gezeichnet; sie glänzte wie poliert, als sie unter der weichen rötlichen Wolle hervorrutschte. Ihr Haar war mit einer langen silbernen Nadel hochgesteckt, die wahrscheinlich mehr gekostet hatte als das Gras, das ich mir kürzlich verdient hatte.
»Ich muss mit Ihnen sprechen«, sagte ich.
Sie bat mich herein und blickte an mir vorbei nach draußen, während sie die Tür schloss. Aus der Stereoanlage erklang Musik, ein Mann sang französisch, sexy, er sprach beinahe. »Ich bin froh, dass du gekommen bist«, sagte sie. »Ich hätte dich gern getroffen, doch ich hatte so viel zu tun. Entschuldige die Unordnung, aber ich bin gerade beim Aufräumen.« Sie stellte Gläser und Teller auf ein lackiertes Tablett und leerte einen Kristallaschenbecher mit Zigarrenstummeln aus. Ich überlegte, welcher der Männer wohl Zigarren rauchte. Der Mercedes war wieder da gewesen. An der Decke drehte sich langsam der Ventilator und rührte die schale, nach altem Zigarrenrauch riechende Luft um. Sie trug das Tablett in die Küche und goss uns Kaffee ein. »Milch?«
Der Kaffee war so stark, dass er kaum die Farbe veränderte, als sie die Milch hineingoss. »Du siehst verändert aus«, sagte sie. Wir setzten uns an ihren Esstisch, auf vergoldete Stühle mit Harfenlehnen. Sie deckte kleine Untersetzer mit holländischen Tulpen für unsere Tassen.
Ich holte die Tüte mit Marihuana aus der Tasche und legte sie auf den Tisch. »Ich habe im Park einem dicken Jungen einen geblasen. Dafür hat er mir das hier gegeben.«
Sie hielt die Tüte in der Hand, auf der Handfläche, die Finger locker darum gewölbt, und mir kam der Gedanke, dass sie so wahrscheinlich den Penis der Männer hielt. Sie drehte die Hand um, die Knöchel zum Tisch, und schüttelte den Kopf. Die beiden senkrechten Linien durchzogen wieder ihre Stirn. »Astrid. So habe ich das nicht gemeint.«
»Ich wollte wissen, was es für ein Gefühl ist.«
»Und wie hast du dich gefühlt?«, fragte sie leise.
»Nicht besonders toll«, sagte
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