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Weisser Oleander

Weisser Oleander

Titel: Weisser Oleander Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Janet Fitch
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Geld, weich wie ein Traum.
    »Seegrün ist auch hübsch«, meinte das Mädchen und hielt einen Pulli mit Zopfmuster in Frühlingsfarbe hoch.
    »Zu auffällig«, sagte ich.
    Olivia wusste, was ich meinte. Sie suchte mir einen Pullover ohne Zopfmuster in Französischblau heraus und hielt ihn mir zum Anprobieren hin. Er verlieh meinen Augen die Farbe von Blaubeeren und brachte das Rosa meiner Wangen zur Geltung. Dennoch konnte er in meiner Schublade als Fundstück aus dem Wohltätigkeitsladen der jüdischen Hausfrauen durchgehen. Er kostete fünfhundert Dollar. Olivia verzog keine Miene, während sie Fünfziger und Hunderter auf den Ladentisch abzählte. »Echte Sachen sind immer ihren Preis wert«, erklärte sie mir. »Schau dir mal an, wie er gemacht ist.« Sie zeigte mir die Schultern, die nicht zusammengenäht, sondern an der Passe zusammengestrickt waren. »Du wirst dein Leben lang Freude daran haben.«
    Was echt war, lernte ich, während wir von Geschäft zu Geschäft zogen. Der silberne Armreif von Georg Jensen. Die Tonvase von Roblin. Geschäfte, in denen ehrfürchtig wie in einer Kirche dem Echten gehuldigt wurde. Die gedämpften Stimmen, während die Frauen Steuben-Glas oder Seidenschals von Hermès berührten. Das Echte zu besitzen hieß, wirklich zu sein. Ich strich mit der Wange über meinen Pullover, der so weich war wie eine blaue Perserkatze.
    Sie lud mich zum Lunch in ein Restaurant unter gelb-weiß gestreiften Sonnenschirmen ein und bestellte uns ein Menü, das ausschließlich aus verschiedenen Vorspeisen bestand: Austern, Graved Lachs, Carpaccio. Salat aus Palmherzen. Sie erklärte mir, wie jedes Gericht zubereitet wurde, während sie ihren kühlen Weißwein nippte und erst ein Gericht, dann das nächste probierte und dabei die Gabel zwischen den einzelnen Happen immer wieder ablegte. Ich hatte noch nie jemanden so vornehm essen sehen wie Olivia. Als hätte sie alle Zeit der Welt.
    »So sollte das Leben immer sein.« Sie seufzte. »Findest du nicht auch? Wie ein genussvolles, gutes Essen. Leider haben die meisten Leute keine Begabung dazu.« Sie deutete dem Kellner im weißen Jackett an, dass mein Wasserglas leer war. »Kaum haben sie mit einer Sache angefangen, wollen sie die am liebsten schon wieder hinter sich haben, um sich auf das Nächste stürzen zu können.« Der Kellner brachte einen Wasserkrug und füllte mein Glas.
    »Ich bin mal mit einem Mann ausgegangen, der mich immer in die feinsten Restaurants der Stadt geführt hat«, fuhr Olivia fort. »Kaum hatten wir gegessen, stand er auf und sagte: ›Und wo sollen wir jetzt hingehen?‹ Und dann gingen wir in ein weiteres Restaurant, wo er noch mal ein komplettes Menü vertilgte, von der Suppe bis zum Nachtisch. Manchmal drei hintereinander.«
    Sie schnitt ein kleines Stück vom Graved Lachs ab, legte es auf ein Schwarzbrothäppchen, verteilte sorgfältig etwas Dillsoße darauf und aß es so genussvoll, als wäre es der letzte Bissen Nahrung auf der Welt. Ich versuchte, sie nachzuahmen und genauso langsam zu essen; den rohen rötlichen Fisch, das grobe säuerliche Brot mit der Kruste aus Salz und Zucker zu schmecken; Geschmack und Düfte so vielfältig wie die Farben einer Palette, wie die Töne der Musik.
    »Er war eigentlich ein ganz reizender Mann. Intelligent, reich wie Krösus«, sagte sie, tupfte sich die Lippen ab und trank einen Schluck Wein. »Aber er führte ein Leben wie ein Bandwurm.« Sie starrte in ihr Weinglas, als könne sie auf dem Boden der weizengelben Flüssigkeit eine Lösung für das Problem des Mannes finden. Dann schüttelte sie den Kopf. »Ein gewaltiger Mann, wahrscheinlich wog er hundertfünfzig Kilo. Ein sehr unglücklicher Mensch. Er tat mir Leid. Armer Mr. Fred.«
    Ich wollte mir lieber nicht vorstellen, wie sie es mit diesem Hundertfünfzig-Kilo-Mann trieb; unter ihm lag, während er hastig zustieß, damit er noch mal von vorn anfangen konnte. »Wie haben Sie ihn kennen gelernt?«
    Sie fächelte eine Biene weg, die ihren Wein probieren wollte. »Ich war Kreditberaterin in einer seiner Banken.«
    Ich musste lachen, als ich mir Olivia in einer Bank vorstellte. Von neun bis fünf hinter dem Schreibtisch, Gabardinekostüm und flache Schuhe. Mittagessen in der Kantine. »Nein, im Ernst?«
    »Aber sicher, was hast du denn gedacht? Dass ich in einer Kaninchenfelljacke auf dem Babystrich am Van Nuys Boulevard gestanden habe? Ich habe einen MBA -Abschluß! Oh, ich habe alles über Geld gewusst, nur nicht, wie ich selbst an

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