Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weisser Schrecken

Weisser Schrecken

Titel: Weisser Schrecken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Finn
Vom Netzwerk:
Er wollte dem Stutenkerl gerade den Kopf abbeißen, als er jenseits des Flurs Geräusche vernahm. Seine Mutter?
    Niklas stellte Stutenkerl und Nikolausschuh wieder ab und marschiert rüber in die Küche. Wie erwartet saß dort seine Mutter am Esstisch, der einladend zum Frühstück gedeckt war. Sie rauchte, was sie nur selten tat. Vor ihr stand eine dampfende Tasse Kaffee, und neben ihrem Teller lag die Packung mit den Tabletten, die sie morgens und abends einnehmen musste.
    Schon knipste sie ihr Lächeln an.
    »Niklas, mein Schatz. Bist du endlich wach?« Sie drückte die Zigarette aus und räumte die Pillenschachtel in einen Schrank. »Du hast ja geschlafen wie ein Toter.« Ihr linkes Auge zuckte. Niklas setzte sich zögernd an den Frühstückstisch. »Ja, ist ja im Moment ein bisschen wie zusätzliche Ferien.« Brötchen, Ei, Marmelade, Käse, Wurst – der Tisch war so wie am Wochenende bis zum Überfluss gedeckt.
    Seine Mutter kicherte kindisch. »Ich weiß noch, wie ich mich als Mädchen immer gefreut habe, wenn die Schule außer der Reihe ausfiel. Meist im Sommer.« Ihr Augenlid zuckte. »Und nun iss etwas. Gefällt dir dein Nikolausschuh? Ich hab extra den großen Gummistiefel aus dem Keller geholt. Da passt mehr rein.« Auffordernd strubbelte sie ihm den Kopf. »Ich hoffe, das war dir recht, mein Spatz?«
    »Ja, toll«, antwortete Niklas müde. Er gab seinem Hunger nach und griff nach Brötchen und Aufstrich, die er mit einer ganzen Kanne Kakao herunterspülte. Seine Mutter bediente ihn eifrig, zugleich starrte sie ihn immer wieder aus den Augenwinkeln heraus an. »Ist irgendwas?«, fragte er kauend.
    »Nein, nichts, mein Schatz.« Seine Mutter präsentierte ihr schönstes Lächeln. »Ich freue mich nur darüber, dass wir heute gemeinsam hier sitzen. Du bist schließlich mein Fleisch und Blut, schon vergessen?« Niklas verging der Appetit, und er ließ die Brötchenhälfte sinken. Unwillkürlich musste er wieder an seinen vor 16 Jahren verschwundenen Bruder denken. Ob die anderen gestern etwas über Jonas und ihre übrigen Geschwister herausgefunden hatten? Verdammt, warum war er in der Nacht nur weggelaufen? Jetzt ärgerte er sich über sich selbst. Elke war es doch in Wahrheit gar nicht wert, dass er ihr hinterherheulte. Irgendwann, in ein paar Jahren, wenn er studiert hatte, da würde er in der Position sein, sie abblitzen zu lassen. Er freute sich schon drauf. Und Andy? Andy war doch auch nur einer von den Typen, die immer cool taten, aber in Wahrheit nicht rafften, worauf es im Leben wirklich ankam. Wenn sie die ganze Sache hier ausgestanden hatten, dann würde er damit aufhören, ihm Nachhilfe zu erteilen. Er würde ihn voll abschmieren lassen. Sollte er doch zusehen, was er später mal ohne Abschluss tat. Mal abwarten, ob die Mädels dann immer noch auf ihn flogen.
    »Dich beschäftigt doch etwas?«, schreckte ihn seine Mutter aus den Gedanken. Niklas sah auf. Die Gedanken an Andy und Elke hatten ihn derart in Rage gebracht, dass er sich bereits überlegte, ob er nicht auch gleich seine Mutter zur Rede stellen sollte. »Hast du dir eigentlich immer Kinder gewünscht?«, fragte er stattdessen.
    Seine Mutter sah ihn überrumpelt an. »Ja. Immer.« Sie steckte sich wieder eine Zigarette an. Einen Moment lang wirkte sie so, als wolle sie etwas sagen, stattdessen inhalierte sie den Rauch tief und räumte ihr Geschirr vom Tisch. »Dein Vater wünscht übrigens, dass du heute zu Hause bleibst.«
    »Was? Wieso das denn?«, fragte er empört. Verdammt, das fehlte ihm gerade noch.
    »Es ist sein Wunsch.«
    »Aber ich muss gleich noch mal los. Zu Andy, ich hab noch ein Schulbuch von ihm, ohne das er aufgeschmissen ist.«
    »Dein Vater war heute sehr bestimmend.« Niklas’ Mutter leckte sich unruhig über die Lippen. »Auch ich möchte nicht, dass du das Haus verlässt. Nicht … heute.«
    »Mama, hör auf damit!« Niklas erhob sich zornig. Er hatte genug von diesen ganzen Lügen und Geheimnissen. »Wenn ihr beide glaubt, ich wüsste nicht längst über Jonas Bescheid, dann irrt ihr euch!?«
    Entgeistert starrte seine Mutter ihn an. Teller und Tassen entglitten ihren Fingern und zerschellten krachend am Boden. »Du … du weißt von deinem Bruder?«
    »Ja, verdammt. Schon lange«, behauptete Niklas kühn. »Warum, zum Teufel, macht ihr so ein Geheimnis um ihn?«
    »Ich … wir …« Seiner Mutter liefen plötzlich Tränen über das Gesicht. »Niklas, du musst mir glauben. Ich wollte dir immer von deinem Bruder

Weitere Kostenlose Bücher