Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
mich an, und ich wandte den Blick ab.
Ich war keine zehn Minuten wieder im Büro, als mein Telefon klingelte.
»Dave?« Die Stimme klang verhalten, fast ein wenig unterwürfig, als hätte er Angst, ich würde auf der Stelle einhängen.
»Yeah, was gibt’s, Weldon?«
Er wartete einen Augenblick, bevor er antwortete. Im Hintergrund hörte ich eine Jukebox »La Jolie Blonde« plärren und das Knallen von Billardkugeln.
»Hast du Lust auf einen Teller Gumbo bei Tee Neg?« fragte er.
»Danke, ich hab’ schon gegessen.«
»Spielst du Billard?«
»Hin und wieder. Was liegt an?«
»Komm doch her, und spiel ’ne Runde Pool mit mir.«
»Ich bin grad ziemlich beschäftigt.«
»Tut mir leid«, sagte er.
»Was tut dir leid?«
»Daß ich dich geschlagen hab’. Es tut mir leid, daß ich’s getan hab’. Das wollte ich dir nur sagen.«
»Okay.«
»Das ist alles, was du dazu zu sagen hast ... ›Okay‹?«
»Ich hab’ dich ziemlich in die Enge getrieben, Weldon.«
»Und du bist wirklich nicht mehr sauer deswegen?«
»Nein, ich glaub’ nicht.«
»Weil mir das nämlich nicht recht wär’, wenn du sauer auf mich wärst.«
»Bin ich auch nicht.«
»Dann komm her und spiel ’ne Runde Pool mit mir.«
»Genug gespielt, Partner. Was willst du?«
»Ich muß aus dieser Scheiße irgendwie raus. Und dazu brauch’ ich Hilfe. Ich wüßte nicht, wen ich sonst fragen sollte.«
Nachdem ich aufgelegt hatte, fuhr ich zu Tee Neg’s Billardsalon auf der Main Street. Innen hatte sich seit den vierziger Jahren wenig verändert. Eine lange Mahagonitheke mit Messinggeländer und Spucknäpfen zog sich durch den ganzen Raum, und darauf standen Einmachgläser mit eingelegter Schwarte (was man im Süden von Louisiana graton nennt), hartgekochten Eiern und eingelegten Schweinsfüßen. Von der Decke hingen Ventilatoren mit hölzernen Rotorblättern; auf den Fußboden hatte man grünes Sägemehl gestreut; und Lampen mit Blechschirmen beleuchteten die Billardtische. Weiter hinten, unter den Schiefertafeln, die die Resultate von Ballspielen aus dem ganzen Land anzeigten, spielten alte Männer an filzbezogenen Kartentischen Domino und bourée , und ein schwarzer Mann mit Kellnerschürze putzte dort Schuhe auf einem altmodischen, eigens erhöhten Schuhputzerstand aus verschnörkeltem Eisen. Die Luft war zum Schneiden. Man konnte kaum atmen, so sehr roch es nach Gumbo, gekochtem Crawfish, Bier, Whiskey, Dirty-rice -Sauce, Kautabak, Zigarettenrauch und Talkumpuder von den Billardtischen. Während der Footballsaison lag ein Meer von illegalen Wettzetteln auf der Mahagonibar und dem Fußboden, und Samstagabend, wenn die Ergebnisse sämtlicher Spiele bekannt waren, legte Tee Neg (was auf cajun-französisch »kleiner Neger« bedeutet) Öltücher über die Billardtische und servierte auf Kosten des Hauses Drosselgumbo und dirty rice .
Ich entdeckte Weldon. Er spielte allein an einem der hinteren Tische. Er trug Arbeitsstiefel, saubere Khakihosen und ein Jeanshemd, dessen Ärmel er ordentlich über die sonnengebräunten Oberarme hochgekrempelt hatte. Er rammte die 9er-Kugel ins Loch an der Seitenbande.
»Man soll nie mit soviel Wucht auf die Seitenlöcher zielen«, sagte ich.
»Wer nicht wagt, der nicht gewinnt«, sagte er und setzte sich an einen Tisch, den Billardstock gegen den Schenkel gelehnt. Vor ihm stand ein Glas Whiskey, das er herunterkippte und dem er einen Schluck Bier folgen ließ. Er wischte sich mit dem Handgelenk den Mundwinkel. »Willst du ein Bier oder sonst was Kaltes?«
»Nein, danke. Was kann ich für dich tun, Weldon?«
Er kratzte sich an der Stirn.
»Ich würde ja gern die Karten auf den Tisch legen, aber ich will auch nicht ins Gefängnis«, sagte er.
»Das wollen die wenigsten.«
»Was ich damit meine, ich kann nicht eingesperrt sein. Ich habe ein Problem mit engen Räumen. Ich werd’ verrückt, wenn ich in einem drin bin.«
Er winkte mit dem leeren Glas zur Theke hin.
»Vielleicht nehmen deine Ängste allmählich überhand«, sagte ich.
»Du verstehst mich nicht. Hat mit meiner Zeit drüben zu tun.«
»Wo drüben?«
»In Laos.« Er wartete, bis der Barmann einen weiteren Whiskey und ein frisches Bier vom Faß vor ihn hingestellt hatte. Er kippte den Whiskey ins Bier und sah zu, wie der Schnaps wie ein Ballon in einer braunen Wolke vom Grunde des Glases aufstieg. »Wir haben so ’ne Art fliegenden Taxidienst für einige der einheimischen Kriegsherren gemacht. Wir transportierten auch manches von dem,
Weitere Kostenlose Bücher