Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
hast du nicht in petto, hm? Keine Zauberlösung.«
»Du hast mir immer noch nicht gesagt, was los ist. Wie kann ich dir da helfen?«
»Wenn ich dir alles sagen würde, hättest du mich wahrscheinlich schon festgenommen.«
Er lächelte schwach und hob das Glas, um zu trinken, setzte es dann aber doch noch mal ab.
»Ich laß mir durch den Kopf gehen, was du gesagt hast, Dave.«
»Das bezweifle ich, Weldon. Du wirst stur weitermachen, bis du dir den Kopf zu Brei geschlagen hast.«
»Ich wünschte nur, ich wüßte immer so genau, was in anderen Menschen vorgeht. Das könnte einem im Ölgeschäft nur nützlich sein.«
Bevor ich wieder zurück ins Büro fuhr, spazierte ich noch über die Zugbrücke über den Bayou Teche und betrachtete die Strömung, die zwischen den Schiffspfeilern hindurchfloß, und die Rückenflossen der Hornhechte, die im Sonnenlicht die Wasseroberfläche durchbrachen. Die Luft war heiß, der Himmel dunstig und grell, die Luftfeuchtigkeit so hoch, daß mir Salz in den Augen brannte und sich meine Haut anfühlte, als krabbelten Insekten darüber. Selbst bei der alten Feuerwehr im Park, einem Ziegelgebäude unter dichten, schattigen Bäumen, war die Luft stickig und durchdringend feucht wie Dampf, der von einem Herd aufsteigt.
Weldon hatte seine Probleme, aber ich hatte selbst genug. Dieser Fall ging weit über den Iberia Parish hinaus, und allem Anschein nach waren darin Menschen und Mächte und eine bestimmte Form von Politik verwickelt, denen unsere kleine Polizeibehörde kaum gewachsen war. Wieder einmal hatte ich das Gefühl, als spielte uns die Außenwelt übel mit, als habe sie in uns etwas gefunden, das empfänglich oder schwach oder vielleicht sogar begierig danach war, korrupten und unmoralischen Menschen ein Stück unserer Identität zu überlassen und sie eine Lebensart kaputtmachen zu lassen, die so süß geschmeckt hatte wie frisch geschältes Zuckerrohr und deren Dahinscheiden so ergreifend und herzzerreißend war wie der Text von »La Jolie Blonde« auf Tee Negs Jukebox:
Jolie blonde, gardez donc c’est t’as fait.
Ta m’as quit-té pour t’en aller,
Pour t’en aller avec un autre que moi.
Jolie blonde, pretty girl,
Flower of my heart,
I’ll love you forever,
My Jolie blonde.
Man mochte es drehen und wenden wie man wollte, Joey Gouza saß in New Iberia in Untersuchungshaft, und wenn das Büro der Staatsanwaltschaft seinen Willen bekam, würde er für den Rest seines Lebens draußen in Angola Süßkartoffelfelder beharken.
Aber irgendwie hatte ich einen kleinen Stich im Herzen verspürt, als ich Alafair so beim Spielen im Park zugesehen hatte, und jetzt wieder, als mein Blick unversehens auf einem jungen Mann hängenblieb, der auf der anderen Seite des Bayous unter einer Zypresse fischte. Ich beobachtete ihn, weil er mich an so viele der Cajun-Jungs aus einfachsten Verhältnissen erinnerte, mit denen ich aufgewachsen war. Er angelte im Stehen, mit nacktem, hagerem olivfarbenem Oberkörper, den sehnige Muskeln überzogen. Seine Marine-Corps-Hose hing ihm tief auf den Hüften, und eine Zigarette steckte in der Mitte seines Mundes, die er paffte, ohne sie zwischen den Zügen herauszunehmen. Sein Schwimmer verschwand unter der Wasseroberfläche, und er riß die Rute hoch und zog an der Schnur einen Wels durch die Seerosen. Dann sah ich, daß die linke Hand unterhalb des Handgelenks fehlte, so daß er den Fisch mit einer Hand vom Haken nehmen mußte. Aber er machte das ziemlich geschickt. Er legte den Fisch auf einen flachen Stein, drückte ihn mit der Stiefelsohle flach, löste den Haken aus der Ecke des Mauls, in der er sich verfangen hatte. Dann nahm er eine blankgeschnitzte Astgabel aus Weidenholz, die er durch die Kiemen bohrte, bis die harte weiße Spitze blutig und umhüllt von Schleimhautfetzen vorne aus dem Maul herausstach. Dann warf er den Fisch mit der heilen Hand in das seichte Wasser direkt am Ufer und steckte die Astgabel fest in den Schlamm.
Als ich sein Büro betrat, saß der Sheriff gerade auf eine Seite gedreht in seinem Bürosessel, in einen Diätratgeber vertieft, und betastete mit drei Fingern seinen Bauch. Er hob den Kopf, als er mich sah, ließ dann das Buch in einer Schublade verschwinden und machte sich emsig über einige Papiere auf der Schreibtischunterlage her. Wie viele Cajuns hatte er ein rundes Kinn mit Grübchen und rosige Wangen, durch die sich zahlreiche kleine Äderchen zogen.
»Ich hab’ auch schon überlegt, ob ich nicht eine
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