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Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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umsonst hier rausgekommen, oder?« sagte er.
    Ich erwiderte seinen Blick und musterte sein Gesicht. Die an Knetmasse erinnernde Haut war nicht in der Lage, irgendeinen Ausdruck an den Tag zu legen, und das, was die Chirurgen von seinem Mund übriggelassen hatten, war nicht mehr als ein Schlüsselloch über den Zähnen; aber in seinen Augen, die zu tränen schienen, als brenne der Rauch in ihnen, lag bösartiges unstetes Licht, von dem ich am liebsten meinen Blick abgewandt hätte.
    »Was Sie angeht, Partner, hab’ ich ein ziemlich ungutes Gefühl«, sagte ich. »Ich glaube, daß Sie mehr im Schilde führen, als sich nur an Ihren Kindern zu rächen. Ich glaube, Sie haben was richtig Spektakuläres im Sinn. Eine richtige Light-Show.«
    »Ficken Sie sich doch ins Knie.«
    »Wer weiß, vielleicht spielen Sie ja sogar mit dem Gedanken, Lyles Haus anzustecken, besonders wenn Sie einen Zeitpunkt erwischen, bei dem Weldon und Drew zusammen mit Lyle unter einem Dach sind. Ich hab’ so eine Ahnung, daß Sie ziemlich viel an Feuer denken.«
    Seine roten Augen wanderten hinüber zum Hausmädchen und verweilten auf ihren großen Brüsten und dem Kleid, das sich über ihrem Rumpf spannte, als sie hochfaßte, um eine Moskitolampe von den Spinnweben zu befreien. Er zog ein Streichholz aus der Hemdtasche und ließ es auf der Zunge hin und her rollen.
    »Vor dem Feuer sind alle gleich. Jedes Haus, jeder Mensch«, sagte er.
    »Wollen Sie mir drohen, Vic?«
    »Ich verschwende meine Zeit nicht mit Idioten«, sagte er.
    Den Mond sah man nicht in dieser Nacht, aber trotzdem schienen die Pecanbäume im Garten kurz unter weißgrünem Licht zu erschauern, wenn der Wind aus dem Süden blies und Blitze die Marsch erzittern ließen, ohne daß ein Gewitter in Sicht gewesen wäre. Ich konnte nicht schlafen, ich mußte ans Feuer denken, den Flammenwirbel, der Vic Benson (oder Verise Sonnier) in dem Chemiewerk in Port Arthur verschlungen hatte, die glühend heißen Metallplatten, die ihn lebendig begraben und seine Seele gebrandmarkt hatten, der inbrünstige Haß, den er die ganze Zeit über wie eine Feuerkette um den Hals mit sich getragen haben mußte. Er war einer jener Menschen, die die Gesellschaft vor unlösbare Probleme stellen. Sein ganzes Leben war Schutt und Asche, sein krankes Hirn war jenseits aller Moral, was ihm wohl bewußt war; und schon seine bloßen Gedanken konnten einen normalen Menschen in Tränen ausbrechen lassen. Wenn er in unseren Augen Anzeichen von Mitleid erblickte, ließ ihn das mit den Backenzähnen knirschen. Es gab eine Zeit, wo man solche Männer einer Lobotomie unterzogen hatte.
    Er hatte nichts zu verlieren. Für Krankenhauspersonal war er ein wandelnder Alptraum; Gefängnisse legten keinen Wert auf seine Anwesenheit; Psychiater hielten ihn für hundert Prozent pathologisch und somit nicht therapiefähig; und selbst wenn er wegen eines Schwerverbrechens zum Tode verurteilt wurde, war den Richtern dabei bewußt, daß er die Fähigkeit besaß, die eigene Hinrichtung zu einem elektronischen Jahrmarkt von gigantischen Dimensionen auszuschlachten.
    Würde sein böser Blick auch vor meinem Haus und meiner Familie nicht haltmachen? Darauf wußte ich keine Antwort. Aber ich war davon überzeugt, daß er – genau wie Joey Gouza oder Bobby Earl – einer von denen war, die irgendwo in ihrem Leben eine Demarkationslinie überschritten hatten und uns, der übrigen Menschheit, den Krieg erklärt hatten. Ob wir die Augen davor verschlossen oder nicht, Vic würde mit einem Streichholzheft oder einem Würgedraht, den er zwischen seinen Fäusten spannte, bis er einen Ton von sich gab, auf der Lauer liegen. Wann er in unser Leben Einzug hielt, lag einzig und allein in seiner Gewalt.
    Ich machte mir eine Tasse Kaffee und ging den sanft abfallenden Hang im Garten hinunter zum Dock. Die Sterne standen weiß am Himmel; im Wind lag das säuerliche Aroma von Schlamm und dem fauligen Humus der Marsch, und etwas dahinter noch der klamme, fahle Aasgeruch irgendeines toten Lebewesens. Ein grellweißer Blitz, verästelt wie ein Baum, zuckte im Süden über den Himmel. Schweiß rann mir an den Körperseiten hinunter. Der Tag würde brütend heiß werden.
    Ich schloß die Ladentür auf, ging hinein und zog an dem Kettchen an der Glühbirnenfassung, die über dem Ladentresen hing. Dann sah ich den diagonalen Schnitt im hinteren Fliegenfenster, das zum Bayou hinaus zeigte.
    Aber es war zu spät. Er tauchte hinter dem Köderbecken auf und

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