Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
Vom Netzwerk:
Psychopath direkt unter dem Schlüsselbein mit einer Kugel vom Kaliber .38 ein Loch in den Pelz gebrannt hatte; meinen Bauch zierte eine Narbe, die von einem Pungi-Stick stammte und die wie ein flachgedrückter grauer Wurm aussah; und über meinen Oberschenkel zogen sich unzählige kleine Beulen, wie indianische Pfeilspitzen, die man unter die Haut geschoben hatte, ein Pferdekuß einer tückischen Sprengmine, die mir bei einem nächtlichen Marsch in Vietnam so gewaltig heimgeleuchtet hatte, daß ich allen Ernstes dachte, meine Seele wäre aus meiner Brust entflohen und ich könnte hinunterblicken und die einzelnen Knochen unter meiner Haut zählen.
    Aber eigentlich konnte ich mich nicht beklagen. Ich träumte nicht mehr vom Mord an meiner Frau Annie, und die nächtlichen, filmischen Erinnerungsfetzen aus Vietnam waren mit der Zeit immer verwaschener geworden, als ob das Elefantengras, das von dem Schwirren der Hubschrauberrotorenblätter flachgedrückt wurde, die Soldaten, die aus den Maschinen hasteten und in den Banyanbäumen Deckung suchten, eine Hand am Helm, damit sie ihn nicht verloren, der Lärm der Granatwerfer von einem Dorf auf der anderen Seite des Reisfeldes, als ob das alles jemand anders erlebt hätte, nicht mehr ich. Vielleicht hatte ich auch bloß endlich begriffen, daß ich nur ein winziger Teil einer Armee war, die sich aus Schwarzen und Jugendlichen aus Großstadtslums und genauso armen Weißen aus heruntergekommenen ländlichen Regionen zusammensetzte, denen allesamt eine kollektive Last aufgebürdet worden war, wie sie niemand tragen müssen sollte. Aber zumindest wußte ich jetzt, daß ich nicht der einzige war, der diese Last tragen mußte, und vielleicht mußte ich sie daher ja auch gar nicht tragen.
    Wie immer, wenn ich so selbstvergessen vor mich hin träumte, war mir was entgangen: Auf dem Redwood-Tisch stand ein Aluminiumtopf. Darin waren geschälte Shrimps in Okra und Tomaten, und eine rote Ameisenstraße verlief von einer Spalte im Tisch an einer Seite am Topf hoch und auf der Innenseite wieder nach unten. Ich nahm den Topf, holte einen Spaten aus dem Schuppen, kippte das verdorbene Essen in den Gemüsegarten neben dem Graben und vergrub es dort.
    Die Ärzte im Baylor-Krankenhaus in Houston und der Spezialist, zu dem wir in Lafayette gingen, hatten versucht so gut sie konnten zu erklären (und wie die meisten Ärzte kamen sie mit Worten nicht zurecht, obwohl ihr aufrichtiges Mitgefühl in den Stimmen durchklang), daß es bei Lupus keine feststehende Behandlungsmethode gab. Die Steroide und Medikamente, mit denen wir versuchten, die Krankheit im Zaum zu halten und die Symptome zu lindern und Nieren und Bindegewebe zu schützen, waren äußerst schwer richtig zu dosieren, was manchmal Halluzinationen und sogar kurzzeitige Psychosen hervorrief.
    Einmal hatte sie zum Rhythmus einer Musik gewippt, die gar nicht da war. Das hatte ich einfach abgetan. Doch dann kam es so weit, daß sie mir sagte, vielleicht hätte ich ja wirklich in meinem Delirium tremens vor vielen Jahren Anrufe von Toten bekommen, denn gerade hätte das Telefon geläutet, und als sie abnahm, hätte sie die Stimme ihrer toten Schwester vernommen.
    Eine Stunde später war sie putzmunter und mußte über sich selbst lachen.
    Morgen würde ich den Arzt in Lafayette anrufen und einen Termin vereinbaren. Es wurde jetzt langsam dunkel, und unzählige Vögel schwirrten durch die violette Abendluft. Ich ging runter zum Pier, um Batist dabei zu helfen, den Laden zu schließen. Er trug abgeschnittene Jeans, ein ärmelloses T-Shirt und Segelschuhe aus Leinen ohne Strümpfe. Sein schwarzer Körper wirkte so hart und muskelbepackt, als ob man Bretter daran zerschlagen könnte. Er war im Hinterraum des Köderladens und stapelte Bierkästen an der Wand. Eine unangezündete Zigarette steckte wie ein Zahnstocher in seinem Mundwinkel.
    Ich fischte ein paar tote Elritzen aus dem Köderbecken, dann machte ich mich daran, eine der Kühltruhen wieder mit langhalsigen Bierflaschen zu füllen.
    »Was nicht in Ordnung, Dave?« fragte er.
    »Nein, eigentlich nicht.«
    Ich spürte seinen Blick.
    »Bißchen viel Arbeit, schätze ich«, sagte ich.
    »Seltsam. Macht dir sonst nichts aus.«
    »Es gibt halt so Tage, Batist.«
    »Also, wenn ich zu Haus Ärger hab’, mit meiner Frau oder den Kindern, dann erzähl’ ich da auch keinem von. Ich sitz’ dann rum und mach’ mir den Kopf schwer. Kann nicht behaupten, daß das so richtig schlau ist.«
    »Ich

Weitere Kostenlose Bücher