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Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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ziemlich düster, und ich weiß nicht, ob ich das wieder geregelt kriege.«
    Sein Gesicht war so ausdruckslos und leer wie geschmolzener Talg.
    Noch am selben Nachmittag fuhr ich hinaus zum Haus seiner Schwester Drew auf der East Main. Die East Main in New Iberia ist wahrscheinlich eine der schönsten Straßen im alten Süden oder sogar im ganzen Land. Sie verläuft parallel zum Bayou Teche und beginnt bei der alten Post und der Villa »The Shadows«, dem 1831 gebauten Landsitz eines Plantageninhabers, den man oft in Kalendern und in Filmen sieht, die in den Südstaaten vor dem Bürgerkrieg spielen. Sie ist gesäumt von einem langen Korridor riesiger Eichen, deren Stämme und Wurzeln so gigantisch sind, daß die Stadt schon lange alle Versuche aufgegeben hat, ihrer mit Zement und Ziegel Herr zu werden. Die Gärten platzen schier vor lauter Hibiskus und leuchtendroten Azaleen, Hortensien, Bambussträuchern, blühenden Lorbeerbüschen und Spalieren und Zäunen, die über und über mit Rosen, anderen Kletterpflanzen und violetten Glyzinien überwachsen sind. In der Abenddämmerung zieht der Rauch von den vielen Grills, wo die Leute Krebse und Fisch zubereiten, über die Grünflächen und durch die Bäume, und über den Bayou hinüber hört man aus dem Stadtpark eine Kapelle oder Baseball spielende Kinder.
    Wie bei den anderen Sonnier-Kindern war auch Drews Leben nie in vorhersagbaren Bahnen verlaufen. Mit ihrem Anteil an Weldons Ölfund auf dem väterlichen Hof hatte sie ein weitläufiges, einstöckiges weißes Holzhaus gekauft, um das sich eine riesige, mit Gaze verkleidete Veranda zog, direkt neben dem alten Burke-Haus auf einem großen, leicht hügeligen Grundstück mit vielen Bäumen. Sie war zweimal geschieden, und zahllose andere Männer waren wie Treibgut in ihr Leben getreten und wieder verschwunden. Für gewöhnlich erhielten sie aus dem blauen Himmel heraus den Laufpaß und wurden wieder dahin expediert, woher sie kamen. Mäßigung war nie ihre Sache gewesen. Ihre Affären waren immer Stadtgespräch; sie nahm bedürftige Farbige bei sich auf; ihre Prinzipien waren eisern, und die gleiche Unnachgiebigkeit zeigte sie bei jedem Streit. Sie war robust und lebhaft und hatte breite Schultern, und manchmal sah ich sie in Lafayette im Fitneßcenter, wo sie an den Nautilus-Maschinen Gewichte stemmte, die Shorts hoch über die Oberschenkel aufgekrempelt, das Gesicht hochrot und wild entschlossen, eine rote Bandana im nassen schwarzen Haar.
    Aber einmal schaffte sie es doch, uns richtig zu überraschen, zumindest, bis man genauer darüber nachdachte. Sie entsagte den Männern für eine Weile und ging als Laienmissionarin mit den Maryknolls nach Guatemala und El Salvador. Fast wäre sie an der Ruhr gestorben. Nach ihrer Rückkehr gründete sie in New Iberia die erste Niederlassung von Amnesty International.
    Ich fand sie hinter ihrem Haus, wo sie mit zwei schwarzen Kindern den wilden Wein an der Rückseite der Veranda, einer Art Wintergarten, stutzte. Sie war barfuß und trug schmutzige rosa Shorts und ein weißes T-Shirt, und in ihrem Haar hatten sich allerlei kleine Ästchen und Laubreste gesammelt.
    Sie war gerade mit einer Heckenschere hoch über dem Kopf an den Kletterpflanzen zugange, als sie den Kopf drehte und mich sah.
    »Hi, Dave«, sagte sie.
    »Hallo, Drew. Wie geht’s?«
    »Kann nicht klagen. Und bei dir?«
    »Hatte ziemlich viel um die Ohren in letzter Zeit.«
    »Das glaub’ ich gern.«
    Ich senkte meinen Blick zu den zwei schwarzen Kindern, die beide so an die fünf oder sechs Jahre alt waren. »Auf dem Sitz in meinem Wagen hab’ ich einen Sixpack Dr.-Pepper-Limonade. Wie wär’s, wenn ihr die kurz holt?« sagte ich.
    Sie blickten Drew um Erlaubnis an.
    »Macht nur«, sagte sie.
    »Du hast mitgekriegt, daß gestern nacht in Weldons Haus ein Deputy ermordet wurde?« sagte ich.
    »Ja.«
    »Was für einen Grund könnte jemand haben, deinen Bruder umzubringen, Drew?«
    »Solltest du das nicht besser ihn fragen?«
    »Er scheint irgendwie der irrigen Meinung zu sein, daß es sich nicht gehört, den Mund aufzumachen, selbst wenn es einen den Kopf kosten kann. Nur daß jetzt ein unschuldiger Mann dran glauben mußte.«
    Sie wischte sich mit dem Handrücken den Schweiß aus den Augenbrauen. Die Sonne flimmerte grell auf dem Bayou.
    »Komm rein. Ich hab’ Eistee«, sagte sie, wischte sich beide Hände am Leib ab und ging mir voran in den Schatten im hinteren Teil des Hauses. Als sie die Fliegentür öffnete,

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