Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
faßte sie mit den spitzen Fingern der anderen Hand bei den Brüsten an ihr T-Shirt und schüttelte es kurz. Irgendwie wirkte sie zu bemüht locker, und ich konnte mich des Eindrucks nicht erwehren, daß sie mit meinem Besuch gerechnet hatte und sich insgeheim schon zurechtgelegt hatte, wie das Gespräch verlaufen würde.
Sie nahm einen Krug mit Tee aus dem Kühlschrank, holte zwei Gläser, und wir gingen durch einen dunklen, kühlen Raum, der zu einer Seitenveranda hinausführte. Über dem Schreibtisch hingen mehrere gerahmte Fotos an der Wand: Weldon in seiner Marineflieger-Uniform; Lyle mit seiner Zydeco-Band, der Name der Band, die CATAHOULA RAMBLERS, stand in weißen Buchstaben am unteren Rand des Bildes; und ein arg mitgenommenes Schwarzweißbild, das zwei Jungs und ein Mädchen zeigte, die vor einem Mann und einer Frau standen. Im Hintergrund sah man ein Riesenrad. Das Mädchen hatte eine Papierwindmühle in der Hand, und die Jungs lächelten über ihre Zuckerwatte hinweg. Die Frau hatte ein ausdrucksloses Gesicht und einen stämmigen Körper, leicht gerundete Schultern, und ihre geflochtene Handtasche war das einzig Schmückende oder sonstwie Auffällige, das sie an sich hatte. Der Mann wirkte sehr dunkel, er hatte ein schmales Gesicht. Er trug Cowboystiefel, einen Bolo-Schlips und einen Cowboyhut, der schief auf dem Kopf saß. Sein Blick war auf etwas gerichtet, was nicht im Bild war.
Drew war in der Tür zur Veranda stehengeblieben.
»Ich hab’ nur deine Fotos bewundert. Sind das deine Eltern?«
Sie gab keine Antwort.
»Ich erinnere mich nur sehr vage an sie«, sagte ich.
»Was willst du von mir wissen, Dave?«
»Lyle sagt, euer Vater sei noch am Leben.«
»Mein Vater war ein mieses Schwein. Ich verschwende keine Gedanken an ihn.«
»Immerhin hast du hier ein Bild von ihm hängen, Drew.«
Sie stellte den Eistee und die Gläser auf der Veranda ab und kam wieder herein.
»Ich heb’s auf, weil meine Brüder und Mutter drauf sind«, sagte sie. »Es ist das einzige Bild, das ich von ihr hab’. An dem Tag, als er sie aus dem Haus vertrieb, ist sie mit dem Wagen von der Atchafalaya-Brücke gestürzt. Wo sie ertrunken ist, war es an die zwanzig Meter tief und so dunkel, daß sie mit Unterwasserscheinwerfern suchen mußten.«
»Ich glaube nicht, daß dein Vater mit dieser Sache hier was zu tun hat. Aber fragen mußte ich doch. Es tut mir leid, wenn ich damit schlechte Erinnerungen wieder geweckt habe.«
»Das ist Vergangenheit. Wen kümmert das?«
»Aber wenn du glauben würdest, daß dein Vater etwas damit zu tun hätte, dann würdest du es mir doch sagen, oder, Drew?« Ich sah ihr voll in die Augen. Ihr Blick hielt meinem stand.
»Du solltest dem meisten, was Lyle sagt, keine große Bedeutung beimessen, Dave.«
»Um bei der Sache zu bleiben, wenn du den Grund dafür kennen würdest, würdest du mir doch sicher auch sagen, warum um alles in der Welt drei wildfremde Kerle Weldons Haus auseinandergenommen haben?«
Sie legte die Zunge in die Wange und musterte mich nachdenklich. Ganz gleich, worum es ging, bei Drew hatte ich immer das Gefühl, daß sie mir gleich massiv auf die Pelle rücken würde.
»Komm mit nach draußen und setz dich hin«, sagte sie.
Ich folgte ihr auf die Veranda, und nachdem ich in einem leinenbespannten Gartenstuhl Platz genommen hatte, setzte sie sich auf die Ecke eines gußeisernen Tisches, spreizte die Beine leicht und blickte zu mir hinunter. Ich drehte den Kopf und betrachtete durch den Fliegenschutz hindurch ein paar Bluejays, die im Vogelbad auf der Rasenfläche spielten.
»Ich werd’ dir mal was sagen. Das mußt du bitte akzeptieren«, sagte sie. »Was Weldon angeht, da kann ich dir nicht weiterhelfen. Wenn ich es versuche, hat es vielleicht schlimme Konsequenzen. Also werde ich es nicht tun. Punkt. Schluß.«
»Vielleicht liegt’s nicht in deiner Hand, darüber zu entscheiden, wie kooperativ du dich dem Gesetz gegenüber zeigst, Drew.«
»Kannst du mir das ein bißchen verständlicher ausführen?«
Ich hob die Augen, bis sich unsere Blicke wieder trafen.
»Heute morgen hab’ ich deinen Bruder mit Handschellen an einen D-Ring in meinem Büro gefesselt. Es war nur für ein paar Minuten, aber ich will doch hoffen, daß es ihm eine Lehre war.«
»Einen was?«
»Das ist ein hufeisenförmiger Eisenring, so wie im Viehstall, der fest im Boden verankert ist. Manchmal fesseln wir Häftlinge mit Handschellen daran, bis wir eine Zelle für sie haben.«
»Und
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