Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
der Tunnel führte zu einem Raum, den sie wohl als Krankenstation benutzt haben, weil da nämlich überall blutiges Verbandsmaterial auf dem Boden rumlag. Ich sah etwas an der Tür vorbeihuschen und hab’ draufgehalten. Es war eine Nonne, eine weiße Frau. Sie waren zu zweit da drin. Die andere kauerte mit dem Rücken zur Wand und zitterte wie Espenlaub. Sie müssen von der Schule im Dorf gewesen sein. Erinnerst du dich noch, daß in dem einen Dorf ein paar französische Nonnen waren?«
Ich nickte wortlos.
»Als ich wieder hochkraxelte, gab uns auf einmal Charlie unten im Dorf Saures, und der Captain rief die Artillerie zu Hilfe«, sagte er. »Dann sind wir alle abgehauen, so schnell wir konnten. Weißt du noch? War ganz schnell vorbei. Das war der Tag, als es Martinez erwischt hat. Ich hab’s einfach niemandem erzählt. Am nächsten Tag gerieten wir dann in dieses Minenfeld. Da hab’ ich’s dann nicht mehr so ganz auf die Reihe gebracht.«
»Das war nicht dein Fehler, Lyle. Du warst ein guter Soldat.«
»Nein, wie ich dir schon sagte, mir hat’s gefallen, in diese Löcher zu kriechen. Der wilde Cajun, der eine Rutschpartie in den Tunneln macht, um Charlie einen heißen Einlauf zu verpassen. Geiles Gefühl.«
»Ich werde dir jetzt einen Ratschlag geben, den ich selbst mal gekriegt habe. Sieh zu, daß Vietnam aus deinem Leben verschwindet. Wir haben unseren Krieg bereits gekämpft. Sollen sich die Leute, die ihn verursacht haben, das Leben damit schwermachen.«
»Ich mach’ mir das Leben nicht schwer. Ich glaube tatsächlich, daß ich noch mal wiedergeboren bin. Und dabei ist mir egal, ob du das jetzt akzeptierst oder nicht. Ich gebe den Leuten da draußen was, das sie nirgendwo anders gefunden haben. Und ich könnte es ihnen nicht geben, wenn Gott mir diese Gabe nicht verliehen hätte. Und wenn es eine Gabe Gottes ist, heißt das nichts anderes, als daß alle meine Sünden vergeben sind.«
»Und was genau gibst du den Leuten?«
»Kraft. Eine Chance, über sich selbst hinauszuwachsen. Sie wachen jeden Morgen ihres Lebens auf und haben Angst. Ich zeige ihnen, daß es nicht ewig so weitergehen muß. Ich bin ohne nennenswerte Schulbildung aufgewachsen, bei Pflegeeltern, hab’ auf der Straße gedealt, in diversen Gefängnissen gesessen, mit meiner verkrüppelten Hand vom Geschirrspülen gelebt. Aber der Mann dort oben hat es geschafft, daß ich mich ihm zuwende, und wahrlich, mein Sohn, schlecht ist es mir nicht ergangen ... Entschuldige, von dem Wort schein’ ich einfach nicht loszukommen.«
»Das klingt ein bißchen selbstgefällig, Lyle.«
»Ich hab’ nie behauptet, ich sei vollkommen. Hör zu, du mußt mir eins versprechen. Paß auf meine Schwester auf. Ich will doch mal annehmen, daß sie dir ohnehin nicht ganz gleichgültig ist, oder irre ich mich da?«
»Ich bin mir nicht sicher, ob ich verstehe, was du meinst.«
»Sie hat gesagt, du hättest sie damals im College flachgelegt.«
Ich blickte auf sein Profil, auf die Narben, die unter dem einen Auge hervorperlten, dann blickte ich gedankenverloren hinaus auf den Bayou, wo ein schwarzer Mann in einer Piroge fischte, und trommelte mit den Fingern auf dem Ledersitz.
»Ich muß jetzt wirklich los«, sagte ich. »Wenn du mir das nächste Mal was mitzuteilen hast, wäre ich dir sehr verbunden, wenn du zu mir ins Büro kommen könntest.«
»Jetzt fühl dich nicht auf den Schlips getreten. Drew hat’s mit vielen Männern getrieben. Du warst also einer davon. Warum solltest du so tun, als wärst du schon als Fünfzigjähriger auf die Welt gekommen?«
»Ich hab’s mir anders überlegt. Es ist nicht nötig, daß du mich den ganzen Weg zurückfährst. Laß mich nur an der großen Kreuzung raus. Ich werde Bootsie anrufen und sie fragen, ob sie nicht in die Stadt kommen und mit mir Krebse essen gehen will.«
»Wie du willst, Loot.« Er schraubte den Verschluß auf die Whiskeyflasche, ließ sie in den Sitz fallen und startete den Motor. »Du denkst jetzt wohl, daß ich den Kopf voller Spinnen hab’, aber selbst wenn’s so ist, ich versuche jedenfalls nicht, damit hinter dem Berg zu halten. Verstehst du, was ich damit sagen will?«
»Daß du das richtig verstehst, Lyle. Du hast die Schuldgefühle wegen Vietnam nicht gepachtet, und du bist auch nicht der einzige, der es einer höheren Instanz verdankt, daß er die Kurve noch mal gekriegt hat. Womit ich ein Problem habe, ist, daß du mit der Tour anderen Leuten Geld aus dem Kreuz leierst.«
»Hast du
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