Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
vergewaltigt und mit Motorradketten verprügelt wurden – es war in diesen Kreisen auch nicht unüblich, Frauen mit den Händen an Bäume zu nageln –, aber sie kamen immer wieder, fügsam, wie betäubt und gelangweilt, als schauten sie bei ihrer eigenen Verstümmelung zu.)
Immer wieder hob sie den gehäuften Löffel zum Mund und vergaß dann zu essen, so sehr bemühte sie sich, sich gleichzeitig auf mein Gesicht und das Foto von Eddie Raintree zu konzentrieren, das ich in meiner Hand hielt.
»Was willst’n mit dem blöden Scheißer?« fragte sie. Die Worte kamen völlig phlegmatisch, wie der Ton in einer Zeitlupenpassage in einem Film.
»Können Sie mir sagen, wo er sich aufhält?«
»Schätzungsweise im Gefängnis. Oder irgendwo Ziegen ficken oder so was in der Art.«
»Wann haben Sie ihn das letztemal gesehen?«
Sie zog an ihrer Zigarette und schluckte den Rauch, wie wenn es ein Joint wäre.
»Solltest deine Zeit nicht mit ’nem blöden Scheißer wie dem da vergeuden«, sagte sie.
»Mir liegt sehr daran, mich mal mit Eddie zu unterhalten. Ich wär’ Ihnen sehr verbunden, wenn Sie mir helfen könnten.«
»Der steht auf Astronomie und so Scheiß. Verstörter Typ. Mein Leben ist schon verstört genug, da komm’ ich gut ohne so ’n Scheißhaufen wie den aus.«
Dann kam ihr Freund wieder aus der Herrentoilette. Ein Bär von einem Mann, mit einem wilden Bart. Er trug einen gestreiften Overall ohne Hemd. Dichtes Haar wucherte auf den massigen Schultern, und sein Körpergeruch war unbeschreiblich.
»Ey, Mann, was hast’n du hier zu schaffen?« sagte er.
»Ich hab’ mich nur kurz mit dieser Lady hier unterhalten.«
»Lang genug. Verpiß dich.«
Ich legte zwei Dollar für das Chili auf den Tresen und ging wieder hinaus in die Nacht. Die Hitze, die sich tagsüber in den Straßen und Betongebäuden aufgestaut hatte, war endlich abgeklungen und von der anderen Seite des Flusses her blies ein kühler Wind. Auf dem Wasser sah ich die rot-grünen Markierungslichter der Ölbarkassen, und New Orleans hob sich hellerleuchtet von der Wolkenkulisse ab.
Am nächsten Morgen schlief ich bis neun und genehmigte mir dann an einem schattigen Tisch unter dem Pavillon im Café du Monde ein Frühstück, das aus Kaffee und beignets bestand. Dabei betrachtete ich die Wasserstrahlen der Rasensprenkler, die mit hartem Klicken gegen den Gartenzaun um den kleinen Park am Jackson Square prallten und überall in den Myrtensträuchern und Bananenstauden kleine Regenbogen aufsteigen ließen. Dann ging ich rüber ins Polizeirevier des First District nur ein paar Blocks weiter und las dort die Akte von Joey Gouza. Sie war ein weiteres Musterbeispiel für das Versagen staatlicher Institutionen, eines von jenen Dokumenten, die einen an den eigenen Überzeugungen zweifeln lassen und den Schluß nahelegen, daß die rechtsradikalen Schwachköpfe doch nicht ganz falsch liegen, wenn sie sich dafür aussprechen, vielschichtige soziale Probleme mit einer Motorsäge anzugehen.
Seit seinem dreizehnten Lebensjahr war er dreiundvierzigmal verhaftet worden. Mit siebzehn hatten sie ihn in die staatliche Besserungsanstalt gesteckt, zweimal hatte er in Angola gesessen, dazu kam noch die Verbüßung einer dreijährigen Haftstrafe im Bundesgefängnis von Lewisburg. Da waren Verhaftungen wegen schweren Einbruchs, Autodiebstahls, schwerer Körperverletzung, wegen des Besitzes von Einbruchswerkzeugen, bewaffneten Raubüberfalls, Raubüberfalls und Nötigung, wegen des Handels mit gestohlenen Lebensmittelkarten, weil man Falschgeld bei ihm gefunden hatte, Zuhälterei, Steuerhinterziehung und Mord. Er war einer jener Berufsverbrecher, die von frühester Kindheit an ein reges Interesse an jeder nur erdenklichen Art von ungesetzlicher Aktivität, die sich in einer Stadt bot, an den Tag legten und nichts ausließen. Aber im Gegensatz zu den meisten kleinen Dieben, Zuhältern, Hehlern und Straßenräubern hatte sich Joey in der Mafiahierarchie von New Orleans stetig weiter hochgehangelt und sich dabei eine Fingerfertigkeit angeeignet, die einstmals in der Unterwelt hoch angesehen war – er war ein erstklassiger Schränker. Offensichtlich hatte er in vier Bundesstaaten Geldschränke und Safes mit dem Schweißbrenner geknackt, obwohl er nur einmal erwischt worden war, in einer Pfandleihe in Baton Rouge. Der Bruch brachte ihm sechsundachtzig Dollar und zwei Jahre in Angola.
Er war nicht schwer zu finden. Er besaß ein kleines italienisches Caférestaurant in
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