Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)
Alafair, daß wir am Samstag in der Bucht Krabben fischen gehen.«
Ich wollte ihr gute Nacht sagen, doch dann sprach sie noch einmal, wie durch einen Nebel: »Weißt du noch, was sie uns damals in der katholischen Schule über die Jungfräulichkeit gelehrt haben? Sie sagten, es sei besser, eine Jungfrau zu bleiben, bis man verheiratet ist, damit man keine Vergleiche anstellt. Stellst du je Vergleiche an, Dave?«
Ich schloß die Augen und schluckte schwer. So wie es vielleicht ein Mann tun würde, der eines sonnigen Tages aufschaut und die oberste, eisige Schicht eines Gletschers in sein Leben rutschen sieht, ohne daß er etwas dagegen tun kann.
Als ich noch an den Folgen der Springmine laborierte, die meiner Vietnam-Tour ein Ende gesetzt hatte – damals begann meine lange Bekanntschaft mit chronischer Schlaflosigkeit –, sann ich manchmal darüber nach, was denn die schlimmsten Angstvorstellungen waren, sei es an Bildern oder an Intensität gemessen, die meine Träume für mich in petto hielten. Unschuldig wie ich war, dachte ich, wenn ich es schaffte, mich ihnen bei Tageslicht zu stellen, sie mir vielleicht als freundliche Monster vorzustellen vermochte, die am Fuße meines Bettes saßen, mit ihnen gar ein vernünftiges Gespräch führen könnte, müßte ich mich nicht mehr jeden Abend mit Alkohol und Drogen in eine andere Dimension transportieren, wo sich die Ungeheuer in rosa Zebras und tanzende Giraffen verwandelten. Aber in jeder dritten oder vierten Nacht fand ich mich bei meinem Zug wieder, vor einem leeren Dorf, das nach Entenscheiße und verwesendem Wasserbüffel stank; und als wir dann dicht an die Überreste eines kümmerlichen Schutzwalls gedrückt in der brütenden Luft, in der man kaum schnaufen konnte, so dalagen, merkten wir plötzlich, daß hinten im Artilleriestützpunkt jemand schwer Scheiße gebaut hatte und das Sperrfeuer der 105er Kanonen zu kurz lag.
Wenn man davon träumt, unter Artilleriebeschuß zu geraten, kann es genauso wirklich sein wie die Erfahrung in der Realität. Man möchte sich wie ein Insekt in den Erdboden bohren; zieht die Knie hoch wie ein Fötus, preßt die Arme über den Helm. Die Angst ist so groß, daß man denkt, einem platzt der Schädel, und die Arterien im Hirn pulsieren so sehr, daß sie den Druck unmöglich aushalten können, und man wartet nur darauf, daß einem das Blut in einer Springflut aus der Nase schießt. Du versprichst Gott alles, wenn er dich nur verschont. Unmittelbar hinter dir werden wahre Schlammgeysire buchstäblich in der Luft pulverisiert, und die Explosionen reißen die Leichen nordvietnamesischer Soldaten aus ihren Gräbern, grüner Schleim glänzt schlierig auf den Leichen, und unzählige Maden vollführen darauf ihren Tanz.
Ich hatte in Vietnam Zivilisten gesehen, die die Angriffe von B52-Bombern überlebt hatten. Sie waren buchstäblich sprachlos; sie zitterten am ganzen Leib und gaben wimmernde Klagelaute von sich, vor denen man sich die Ohren zuhalten wollte. Wenn ich von einem solchen Traum erwachte, zitterten meine Hände so, daß ich es kaum schaffte, den Deckel der Whiskeyflasche abzuschrauben, die ich unter meiner Matratze versteckt hatte.
Als ich in dieser Nacht auf Cletes Couch schlief, fand ich mich mit etwas anderem konfrontiert, das meinem Unterbewußtsein entsprang. Es war kein bißchen leichter zu ertragen als die körnigen alten Filmnegative aus Vietnam. Im Traum fühlte ich Bootsie neben mir, ihr nackter Körper warm und weich unter dem Laken. Ich legte mein Gesicht in ihr Haar, küßte ihre Brustwarzen, streichelte ihren Bauch und ihre Oberschenkel, und sie lächelte im Schlaf, nahm mich in die Hand und führte mich ein. Ich küßte die Spitzen ihrer Brüste und versuchte sie überall gleichzeitig zu berühren, während wir uns liebten, wünschte in meiner Lust, sie hätte zwei Körper und nicht nur einen. Dann baute sich in mir etwas auf, wie ein Baumstamm, der vom Ufer wegbricht und sich in der warmen Strömung aufbäumt, und sie lächelte träge und erwartungsvoll und schloß die Augen, und ihr Gesicht wurde ganz klein und weich und ihr Mund so verletzlich wie eine Blume.
Aber dann öffneten sich ihre Augen wieder, und diesmal waren sie so blind wie Milchglas. Eine schuppige Maske legte sich wie die roten Flügel eines Schmetterlings auf ihr Gesicht und entstellte es, ihr Körper wurde steif, als werde alles Gewebe zu Knochen, und in ihrem Schoß entfaltete sich der Tod.
Ich setzte mich in der Dunkelheit von Cletes
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