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Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition)

Titel: Weißes Leuchten (Detective Dave Robicheaux) (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Lee Burke
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wieder zum Tresen und fragte die Bedienung nach einem Bleistift und einem Zettel. Sie riß ein Blatt aus einem Notizblock am Telefon und gab es mir. Ich kritzelte zwei oder drei Sätze darauf und faltete es erst einmal, dann zweimal.
    »Würden Sie das hier bitte Elton geben?« sagte ich.
    »Elton Rubert?«
    »Yeah.«
    »Klar.« Sie nahm den Zettel aus meiner Hand und warf ihn in das Brieffach hinter den Tresen. »Sie müssen ihn grad’ verpaßt haben. Für gewöhnlich kommt er so gegen vier.«
    »Yeah, das sagte Harvey schon. Wirklich ärgerlich, daß ich ihn verpaßt hab’.«
    »Ärgerlich?« Sie lachte. »Haben Sie ’ne verstopfte Nase oder so? Oder Probleme mit den Nebenhöhlen?«
    »Was?«
    »Der Typ riecht wie ’n Gorilla untern Armen.«
    »Was?«
    »Er stinkt, daß die Toten aus den Gräbern kommen und laufengehen. Sind Sie sicher, daß Sie Elton meinen? Er haust in so ’ner Hütte am Damm und wäscht sich nur, wenn er beim Regen nicht schnell genug unters Dach kommt. Ich weiß gar nicht, wie der dazu kommt, die ganze Zeit so über die Nigger herzuziehen.«
    »Schöne Ohrringe haben Sie da.«
    »Hab’ ich grad erst bekommen. Gefallen Sie Ihnen wirklich?«
    »Klar. Hab’ ich noch nie gesehen, daß jemand so was aus .38er Patronenhülsen gemacht hat.«
    »Die sind von meinem Freund. Der ist ’n Waffennarr, aber auch echt geschickt, wenn’s drum geht, Schmuck und so Zeug zu machen. Er überlegt sich, ein Mailorder-Geschäft aufzuziehen.«
    »Elton hat nicht zufällig Telefon, oder?«
    »Der hat nicht mal Wasser. Wüßte nicht, wozu er ein Telefon brauchte.«
    Ich sah auf die Uhr.
    »Vielleicht hab’ ich noch Zeit, kurz mal bei ihm vorbeizuschauen. Ist nicht weit von hier, oder?« sagte ich.
    »Immer grad die Straße runter bis zum Damm. Sie können’s nicht verfehlen. Folgen Sie nur Ihrer Nase. Ha!«
    »Ach, übrigens, was macht denn Eltons Auge?«
    »Sieht aus, als hätten sich Würmer drüber gemacht. Sind Sie zufällig so ’ne Art Missionar oder so was?«
    Zahllose Insekten schwirrten in der violetten Abendluft, als ich auf der gelben Lehmstraße zum Damm der Marsch fuhr. Die Straße überquerte die Schienen der Southern Pacific Railraod und verlief dann entlang eines grünen Damms, der über und über mit Butterblumen bewachsen war. Auf der anderen Seite des Damms war ein Kanal, zahlreiche Bauminseln, die sich wie eine Kette aneinanderreihten, unterbrochen von einzelnen Sandbänken, und eine Bucht, die nur aus toten Zypressen zu bestehen schien. Ein paar hundert Meter vor dem Eisenbahnübergang stand eine Anglerhütte, ein kleiner Kasten mit einer eingestürzten Veranda, einer Außentoilette und einem überquellenden Mülleimer auf der Rückseite. Ein Einbaum und ein Boot mit einem Außenbordmotor waren an Holzpfähle gebunden, die man in den schlammigen Untergrund gehämmert hatte. Eine gestrippte Harley stand ganz hinten auf der Veranda, und der Chrom blinkte in den letzten Strahlen der roten Sonne. Der Himmel war vor lauter Vögeln ganz schwarz.
    Ich parkte meinen Pickup unten am Damm, nahm meinen japanischen Feldstecher aus dem Zweiten Weltkrieg aus dem abgeschlossenen Werkzeugkasten, den die Kids aus dem Iberville-Project in Ruhe gelassen hatten, und wartete. Die Nacht würde heiß werden. Die Luft stand völlig still. Der lange Nachmittag hatte sie aufgeheizt, und es war stickig und stank nach toten Wasserkäfern und Hornhechten, die Angler einfach ans Ufer geworfen hatten. Durch den Feldstecher sah ich mir die Hütte genauer an. Der Mülleimer kochte über vor Fliegen, eine orangefarbene Katze verspeiste aus einem Napf an der Treppe einen Fischkopf, und innen ging kurz ein Mann am Fenster vorbei.
    Er war weg, bevor ich sein Gesicht richtig sehen konnte.
    Schließlich war es dunkel, und der Mann in der Hütte machte eine Öllampe an, öffnete am Tisch eine Blechbüchse und aß mit einer Gabel daraus, vornübergebeugt und mit dem Rücken zu mir. Dann ging er zur Hintertreppe, wo er urinierte, die Bierflasche in einer Hand, und im Licht von der Tür sah ich den großen, wie aus Granit gemeißelten Schädel und die Muskeln, die in seinen Schultern anschwollen wie ein zusammengerollter Gartenschlauch.
    Als er sich wieder ins Innere verzogen hatte, stieg ich aus dem Wagen, den .45er in der Hand, und überquerte den Damm. In der Dunkelheit näherte ich mich der Hütte. Die Weiden waren regungslos, und ihre Konturen hoben sich scharf vom gelben Mond ab. Ich sah eine Wasserschlange, so dick wie mein

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