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Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast

Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast

Titel: Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Rothenberg
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erwachte.
    Genau so.
    Jedes Mal derselbe Traum. Immer wieder dasselbe schreckliche Gefühl, jede Kontrolle zu verlieren, ohne Schwerkraft zu sein und ohne eine Chance zu überleben. Mal ganz abgesehen davon, dass ich im wirklichen Leben noch nie etwas mit Motorrädern zu tun gehabt hatte, war das Merkwürdigste an dem Traum, dass ich ihn immer am gleichen Tag des Jahres träumte: nämlich am 4. Juli.
    Und manchmal begleitete mich der Geruch von Rauch und brennendem Treibstoff den ganzen Tag über, und nicht einmal das Feuerwerk zum Unabhängigkeitstag konnten mich davon ablenken.
    Aber diese vollkommen irrationale Angst spielte nun keine Rolle mehr. Schließlich konnte ich nicht zweimal sterben.
    Mit anderen Worten: Ich hatte nichts mehr zu verlieren.
    »Bitte?«, flehte ich noch einmal. »Nur eine kleine Fahrt.«
    »Wie kommt es, dass du das Wort Nein nicht verstehst?«
    »Wie kommt es, dass deine Mutter das Wort Nein nicht versteht?«
    »Moment mal. Sollte das etwa ein Mutter-Witz sein?«
    »Vielleicht. Vielleicht auch nicht.«
    Er lächelte, und ich wusste, dass ich gewonnen hatte.
    »Bist du sicher, dass du keine Angst hast?«
    Ich nickte.
    Lügen, Lügen, lauter Lügen.
    Er sah mich besorgt an. »Und du wirst weiterhin mit mir sprechen, auch wenn du die Fahrt furchtbar findest?«
    »Das werde ich nicht.«
    »Du wirst nicht mehr mit mir sprechen?«
    »Nein. Ich werde es nicht furchtbar finden.«

    Und ich sollte recht behalten. Von wegen furchtbar – ich liebte es!
    Motorrad fahren war das absolut unglaublichste Gefühl aller Zeiten. Sogar noch besser als die erste Zentelsekunde nach dem Absprung vom Zehnmeterturm, in der mich immer dieses Gefühl von absoluter Ruhe und totaler Freude zugleich überkommen hatte. Der Moment vollkommener Freiheit.
    Wie Patrick es versprochen hatte, erwartete mich außerhalb der vertrauten Pizzeria eine ganze Welt aus alten Erinnerungen und Träumen, von denen einige zu mir gehörten und andere nicht. Die Gerüche waren hier intensiver, die Farben strahlender, Schokolade schokoladiger. Die Tage waren länger, und der Nachthimmel war so sternenklar, wie ich ihn noch nie zuvor gesehen hatte.
    Das Leben hier war ein einziger Du-entscheidest-selbst -Roman. Ich schlief, wenn ich müde war (die Sitzecken in der Pizzeria waren eigentlich ziemlich bequem), aß, wenn ich Hunger hatte, und ließ es sein, wenn ich keinen hatte. Ganz in der Nähe des Slice war ein Kino, in dem ausschließlich meine Lieblingsfilme liefen, Harry und Sally, Schlaflos in Seattle, E-m@il für Dich, Across the Universe und (lach mich bitte nicht aus!) Die Schöne und das Biest. Es gab sogar einen Wasserpark in der Nähe, mit vielen verschiedensten Rutschen, einem riesigen Wellenbad und einem herrlichen Lazy River, auf dem ich mich den ganzen Tag in meinem Luftreifen faul im Sonnenschein dahintreiben lassen konnte.
    Richtig großen Spaß machte es jedoch erst, als ich lernte, wie man sich Dinge wünscht. Ich meine, wirklich wünscht. Man kneift die Augen zusammen und stellt sich den absolut perfekten Strand und die absolut perfekte Hängematte vor, und dann – öffnet man die Augen und hat alles haargenau so vor sich. Ich wünschte mir ein speckbäuchiges Schwein. Ich wünschte mir, auf einem Pferd über saftig grüne Wiesen zu galoppieren und unter dem Sternenhimmel einzuschlafen. Ich wünschte mir sogar, Patrick würde mir das Surfen beibringen, was höchst amüsant war, denn Surfen gehörte so gar nicht zu seinen Leidenschaften. Wir saßen bei Morgengrauen auf unseren Brettern und beobachteten den Sonnenaufgang, der alles in goldenes, friedvolles Licht tauchte.
    Das Beste war, jeder Wunsch ging in Erfüllung. Jeder Wunsch war schöner als der vorherige. Es gab keine Sorgen, keine Probleme, keine Albträume und auch keine Ängste oder Schwierigkeiten. Es war nicht wie im wirklichen Leben.
    Es war besser .

    Eines Morgens stellte mir Patrick beim Frühstück – das aus einem Bananenmilchshake bestand – eine Frage, die alles verändern sollte.
    »Hast du eigentlich vor, es ihm heimzuzahlen?«
    Ich hielt mitten im Schlürfen inne und sah zu ihm auf. »Wovon redest du? Wem soll ich etwas heimzahlen?«
    Er stöhnte und ließ sich vornüber auf den Tisch fallen. »Also wirklich, Kleopatra! Hast du das tatsächlich schon vergessen?«
    Hä? Woran sollte ich mich erinnern? Und warum nannte er mich Kleopatra?
    Als ich nicht antwortete, schlug er sich mit der flachen Hand gegen die Stirn. »Du überraschst mich doch immer

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