Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast
hoch oben wir waren. Im Training vom Zehnmeterturm zu springen war eine Sache, aber dieser Sprung hier war nicht einmal im selben Postleitzahlenbereich.
Oder im selben Sonnensystem.
Ich sank auf die Knie und versuchte mich zu beruhigen. Turmspringerin hin oder her, mir drehte sich alles im Kopf, als ich mir vorstellte, ich könnte ausrutschen und in G-force -Manier in die Bucht von San Francisco und direkt in das Maul eines riesigen weißen Hais stürzen.
»Weißt du«, motzte ich, »ich wünschte, du hättest mir die Sache mit dem Sprung von der Brücke erklärt, bevor du mich hier raufgebracht hast. Denn dann wäre ich definitiv nicht mitgekommen.«
»Na ja«, antwortete Patrick, »und ich wünschte, du hättest einen Blick in Kapitel sechs des T&J geworfen. Und in Kapitel zwölf, ›Anleitung zum Beamen‹. Da steht alles drin, Ricotta, schwarz auf weiß. Vielleicht hätte jemand seine Hausaufgaben machen sollen.«
»Danke, Dad!« Auf diese Standpauke hätte ich wirklich verzichten können. Obwohl ich in meinem tiefsten Inneren wusste, dass er recht hatte. Hätte ich dieses verflixte Doof&Dämlich-Handbuch ernst genommen, hätte ich vielleicht einen Weg gefunden, mich mit einer echten Autorität in Verbindung zu setzen. Mit jemandem, dem ich hätte erklären können, dass es sich hier um einen schrecklichen Fehler handelte.
Ich sollte eigentlich nicht hier sein. Ich hätte nicht sterben sollen. Noch nicht. Nicht auf diese Weise.
Patrick lachte laut. »Ich hab dir doch gesagt, dass du irgendwann auf die Probe gestellt wirst!« Er stand auf und machte eine ausladende Armbewegung. »Überraschung! Hier ist sie!« Da sah er die Panik in meinen Augen. »Keine Angst. Das erste Mal ist es ziemlich furchteinflößend, aber es wird einfacher mit der Zeit. Und irgendwann …« – seine Augen leuchteten – »irgendwann macht es sogar richtig Spaß. «
»Ich kann da nicht runterspringen. Ich kann nicht, ich kann nicht, ich kann nicht.«
»Crede quod habes, et habes.«
»Was soll denn das für eine Sprache sein, du Nerd?«
Patrick lächelte. »Latein. ›Glaube, dass du es kannst, und du kannst es‹!«
Sein Ton war unbekümmert. Scherzhaft. Wie üblich wenig hilfreich.
»Auf zehn.«
»Okay, zehn. Du bist ein komisches Mädchen, Aubrie Eagan.«
»Ich heiße Brie. «
»Eins … Zwei … Drei …«
»Stopp, stopp, stopp, zähl nicht so schnell!«
»Vier.«
»Nein, im Ernst. Warte …«
»Fünf …«
»Ich sagte, ich bin noch nicht …« Meine Knie wurden weich, und vor meinen Augen bekam wieder alles diesen schrecklichen, ekelhaft grünen Farbton – das Grün, das ankündigte, dass ich gleich in Ohnmacht fallen würde. Vom Rauschen des Ozeans unter mir, vermischt mit dem Verkehrslärm auf der Brücke, drehte sich mir der Magen um.
»Hey, bist du okay?« Patrick beugte sich zu mir herab. »Du wirkst ein bisschen, äh, blass.«
»Es geht schon«, log ich, während ich mit aller Kraft das Stahlseil umklammerte und verzweifelt durchzuhalten versuchte. »Ging mir nie besser.« Ich versuchte, mir die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Doch bei dem Wind, der uns hier oben um die Ohren pfiff, gelang das nicht. Wir hätten genauso gut auf der Spitze des Mount Everest stehen können. »Ist das hier etwa deine Idealvorstellung vom Himmel?«
Patrick sah mir in die Augen. »Jetzt ja.«
Trotz meiner panischen Angst lief ich rot an und wusste nicht, was ich sagen sollte. Schließlich entschied ich mich für die lahmste Antwort aller Zeiten:
»Kommst du, äh … oft hierherauf?«
Meine Güte, hatte ich das wirklich gerade gesagt? Wer sagt denn so etwas?
»Immer wenn ich nachdenken muss und meinen Kopf freikriegen will.« Er zögerte. »Oder wenn mir das ewige Warten auf die Nerven geht.«
»Warten? Worauf wartest du denn?«
Er zögerte einen Moment und sah zu den Bergen hinüber. »Auf eine Freundin. Ich glaube, ich warte auf eine alte Freundin.«
Das Sonnenlicht war weitergewandert und warf nun einen Lichtstrahl auf sein linkes Handgelenk. Mein Blick fiel für einen Moment auf seine Narbe. Erst jetzt sah ich, wie schlimm sie war. Normalerweise verdeckte seine Jacke sie, doch nun hatte er den Ärmel etwas nach oben geschoben, und im letzten Sonnenlicht sah ich zum ersten Mal, wie groß und gezackt die Narbe war. Als sei er mit einer scharfen Glasscheibe aufgeschlitzt worden.
Was immer er erlebt hatte, es musste etwas sehr Schlimmes gewesen sein.
Mir wurde plötzlich klar, wie viel er über mich und wie wenig
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