Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast
hätten sie einfach aufgehört, sich um das Haus zu kümmern.
Seit meinem Tod waren erst ein paar Wochen vergangen, was verglichen mit der Ewigkeit ein äußerst kleiner Zeitraum war. Doch durch das kühle Herbstlicht, das auf das Hausdach fiel, den matschigen, gelben, ungemähten Rasen, das verrottende Laub und das gespenstische Flüstern des Ozeans, nur ein paar Blocks entfernt, schien mein Tod plötzlich so viel länger her zu sein.
Das Haus wirkte windschief. Verzerrt. Ein Schatten seiner selbst.
Genau wie ich.
Ich konnte meine Augen nicht davon abwenden.
»Was ist hier passiert?«, fragte ich.
»Was immer passiert«, sagte Patrick. »Sie haben jemanden verloren.«
Die Haustür ging auf, und ein kleiner Junge mit verstrubbeltem dunklem Haar, Jeans und einem schwarzen Sweatshirt stürmte die Verandatreppen hinunter, ohne die Tür hinter sich zuzuziehen. Als er die Einfahrt erreicht hatte, ließ er seinen Fußball auf den Boden fallen und kickte ihn heftig gegen das metallene Garagentor.
Bumm!
Bumm!
Bumm!
Jack. Plötzlich hatte ich am ganzen Körper Gänsehaut. Er war so nah. So wirklich. Seine Wangen waren gerötet von der kühlen Herbstluft, und ihm lief die Nase.
Ich wollte zu ihm rennen, ihn ganz fest umarmen und ihn nie wieder loslassen. Jack wischte sich seine Nase am Ärmel ab und ließ den Ball erneut fallen, um ihn wieder gegen das Garagentor zu schießen.
Bumm!
Ich machte einen Schritt auf ihn zu, blieb dann aber stehen, als mir die total verhexte Situation bewusst wurde.
»Er kann mich nicht sehen.«
»Das stimmt«, sagte Patrick. »Aber so erschreckend, wie deine Frisur gerade aussieht, ist es vielleicht auch besser so.«
Ich fuhr mir mit den Fingern durch die Haare, um meine widerspenstige Lockenmähne zu glätten, bis mir klar wurde, dass Patrick mich nur verulkt hatte. Schon wieder . Ich wollte ihm gerade einen meiner üblichen ärgerlichen Blicke zuwerfen, als sich die Fliegengittertür ein zweites Mal öffnete.
»Jack!«
Die Stimme meiner Mutter.
Und dann sah ich sie, halb aus der Haustür gelehnt. In ihrem grünen Pullover, dem megaflauschigen, den ihr Großmutter letztes Jahr zu Weihnachten geschenkt hatte. Ihre Schildpattbrille. Ihr dunkler, lockiger Pferdeschwanz. War er ein wenig kürzer, als ich ihn in Erinnerung hatte?
Mom.
Mein Hals schnürte sich zusammen, und mir schossen unzählige kleine Nadelstiche über den Nacken. Ich wollte zu ihr laufen. Ich wollte es so sehr.
»Jack, Liebling, bitte kick den Ball nicht so heftig gegen die Garage. Es ist zu laut. Daddy schläft noch.«
»Er schläft?«, wunderte ich mich. »Jetzt noch? Wie spät ist es denn?«
Es musste schon mindestens elf Uhr sein. Und mein Dad war ein absoluter Frühaufsteher. Er war immer schon bei Morgengrauen auf den Beinen, damit er noch eine Stunde surfen konnte, bevor er zur Arbeit fuhr. Es war unmöglich, dass er noch schlief! Er ärgerte sich über uns, wenn wir nach neun noch im Bett lagen, sogar an den Wochenenden.
»Okay.« Jacks Stimme war kühl. So als hätte er nicht zugehört oder als wäre es ihm egal. Ohne sie anzusehen, warf er den Ball auf den Boden, nahm Anlauf und kickte ihn wieder gegen das Tor.
BUMM!
Mom schüttelte den Kopf. Sie war verärgert, das konnte ich sehen, aber sie hatte nicht die Kraft, Jack nochmals zu ermahnen. Stattdessen ging sie ins Haus zurück und ließ die Tür hinter sich zuknallen.
»Eine richtig glückliche Familie«, meinte Patrick sarkastisch.
Ich ignorierte ihn, ging die Einfahrt hinauf und setzte mich mit etwas Abstand zu Jack auf den Boden und sah ihm beim Kicken zu.
Jack Cheddar.
Er war hübsch. Ein hübscher, liebenswerter, missmutiger Junge, der in ein paar Monaten neun Jahre alt werden würde. Plötzlich kam mir ein schrecklicher Gedanke.
Was, wenn er mich vergessen hatte?
Er zog sein Sweatshirt aus und warf es auf den Boden. Dann setzte er sich im Schneidersitz aufs Gras, fasste in seine Hosentasche und holte ein Kartenspiel heraus. Ich hatte ihm im Sommer das Kartenmischen beigebracht. Er hatte es schon fast beherrscht. Aber seine Hände waren noch ein wenig zu klein dafür. Jack halbierte den Kartenstapel, wie ich es ihm gezeigt hatte (mit weniger Karten ist es einfacher), aber als er die Karten in einem gleichmäßigen, runden Bogen biegen wollte, entglitten sie ihm, und ein Teil davon landete im Gras.
»Mist!«, murmelte er.
»Versuch es noch mal«, sagte ich. »Und benutz diesmal die Daumen.«
Er wiederholte exakt dieselben
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