Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast

Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast

Titel: Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jess Rothenberg
Vom Netzwerk:
faltete es behutsam auseinander und strich es glatt. Zwischen zwei alten Pizzaflecken stand da eine Liste, an die ich mich nur allzu gut erinnerte. Alle Wörter waren fein säuberlich durchgestrichen.
    Bis auf die letzten zwei.

    Verleugnung
    Wut
    Seelenhandel
    Traurigkeit
    Frieden

    »Wo hast du das her?«, fragte ich leise. Dann holte ich meinen Stift aus der Tasche – den fantastischen aus der dritten Klasse – und machte einen sorgfältigen Strich durch Traurigkeit.
    Denn ehrlich gesagt, war ich ziemlich traurig.
    »O mein Gott!«, kreischte sie total überdreht. »Du hältst mich bestimmt für die totale Stalkerin, nicht wahr?«
    Äh, also: O ja, das tue ich.
    Patrick hatte recht. Mädchen sind verrückt.
    Riley kicherte wieder und klang diesmal wie eine Mischung aus Streifenhörnchen und Delfin. »Ich schwöre, ich …«
    »Ich glaub nicht, dass du sein Typ bist«, platzte ich heraus. »Tut mir leid.«
    Ihr Mund blieb offen stehen. »Was?«
    Ich zuckte mit den Schultern. »Wie ich es gesagt habe.«
    Riley verschränkte die Arme. »Ach, wirklich?«
    Ich sah sie böse an. »Ja, wirklich!«
    »Aber du bist es, was?« Sie lachte sarkastisch.
    Vielleicht.
    Wahrscheinlich.
    Ja, ich bin es.
    Sie stand auf und stürmte davon. Zum ersten Mal seit langer Zeit lächelte ich.
    Ich sah zu Nintendofreak hinüber. Seine rotbraunen Haare und sein hübsches Kindergesicht erinnerten mich sofort an Jack. Und ich fragte mich, was diesem kleinen Jungen wohl zugestoßen war, dass er ganz allein hier im Slice gelandet war. Ich zeigte auf sein Sweatshirt. »Harvard, hm?«
    Er nickte. »Michael geht dorthin.«
    Ich zögerte. »Wer ist Michael?«, fragte ich schließlich.
    »Mein Bruder.«
    Er hat seinen Bruder verloren. Genau wie Jack mich verloren hat.
    Ich hörte Jacks Lachen – das unkontrollierbare Lachen, wenn wir samstagmorgens Fangen spielten und ums Haus herumjagten. Ich vermisste sein Lachen und die Art, wie ihm die Haare wegen eines Wirbels an einer Seite etwas abstanden. Ich vermisste sogar die Zeit, in der er auf mein Kissen gepupst hatte, weil er wütend war, dass ich länger aufbleiben durfte als er.
    Vergiss das. Denk an etwas anderes.
    »Also« – ich tat mein Bestes, um meine Erinnerung auszuschalten – »du machst wohl endlich eine Pause vom Spielen, was?«
    Sam rümpfte die Nase. »Die Batterien sind leer.« Seine Stimme verriet mir, dass ich ein besonders heikles Thema angesprochen hatte. Und ich konnte mir plötzlich denken, warum. Vielleicht hatten ihm die Videospiele geholfen, etwas zu vergessen, über was er nicht nachdenken wollte.
    »Hey«, sagte ich. »Willst du neue?«
    Sein Gesicht strahlte wie ein Weihnachtsbaum. »Ja! Hast du denn welche?«
    Offenbar hatte sich noch niemand die Mühe gemacht, Sam ein Exemplar des T&J zu geben – wahrscheinlich, weil er zu jung war, um es zu lesen. Ich grinste. Was ich gleich tun würde, würde diesen Jungen vollkommen umhauen. Ich schwang geheimnisvoll die Hände durch die Luft, wie ich es schon oft getan hatte, wenn Jack und ich uns gegenseitig Zaubertricks beibrachten. Der große Unterschied zu damals war, dass ich jetzt tatsächlich zauberte.
    »Hokuspokus. Abrakadabra …«
    Sam sah mich mit großen Augen an. Nach einer Weile ließ ich meine Hände hinter dem Rücken verschwinden und äußerte zum ersten Mal seit Langem wieder einen Wunsch. Genau wie Patrick es mir beigebracht hatte.
    Batterien, bitte.
    Einen Augenblick später streckte ich die Fäuste vor und lächelte Sam an. »Welche Hand willst du?«
    Er deutete auf meine Linke. »Die da!«
    Ich öffnete die Faust, um ihm zu zeigen, dass sie leer war. »Falsch. Versuch’s noch mal.«
    Seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, fühlte er sich betrogen, zeigte aber schließlich auf meine rechte Hand. »Die da?«
    »Ta-ta!«, rief ich und hielt ihm die Batterien vor die Nase.
    Er sah mich an, dann wieder die Batterien. Dann nahm er sie mir aus der Hand und begutachtete sie ungläubig, als könnten sie sich plötzlich wieder in Luft auflösen. Er steckte sie eilig in sein Nintendo DS und schaltete es ein. Einen Augenblick später erklang der altbekannte Tetris-Ton. »Danke!«, sagte er ehrfürchtig. »Du hast es geschafft.«
    Und dann brach er in Tränen aus.
    »Nicht doch, Kleiner«, tröstete ich ihn. Betroffen stand ich auf und setzte mich neben ihn. Ich legte ihm meinen Arm um die Schulter und zog ihn eng an mich, und er ließ es geschehen. Ich spürte, wie mein Kleid seine Tränen aufsaugte, während ich

Weitere Kostenlose Bücher