Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast
weg.
»Gib es zurück! Du verschandelst es bloß!«
Ich sprang von meinem Hocker auf und kam erst richtig in Fahrt. »Ein Wort mit neun Buchstaben für eine weibliche Person, die keine tierischen Produkte isst.«
»Veganerin.« Sie fuchtelte aufgeregt mit den Armen durch die Luft. »Veganerin!«
»Ah, ich hab’s!« Ich schnippte mit den Fingern, drückte meinen Stift noch fester auf das Papier und schrieb: » BRIEEAGAN! «
»Oh, wie konntest du nur!«, jammerte sie. »Jetzt ist meine ganze Arbeit vergebens!«
»Wie bitte?«, fragte ich. »Entschuldigen Sie, haben Sie etwas gesagt?« Ohne ihr Zeit für eine Antwort zu geben, wandte ich mich sofort wieder dem Rätsel zu. »Oh, hier ist eine w irklich knifflige Frage. Englisches Wort für Hackbraten mit acht Buchstaben.« Ich kniff die Augen zu und wiegte bedächtig summend vor und zurück wie ein ausgeflippter Yogameister. »Natürlich!« Ich sprach die Buchstaben laut mit, während ich schrieb.
»H-A-M-L-O-A…« Ich hielt inne. »Oh, Mist, das stimmt wohl nicht! Hamloaf hat sieben Buchstaben und nicht acht!« Ich schlug mir mit der flachen Hand gegen die Stirn und stöhnte übertrieben dramatisch. »Dann muss es MEATLOAF sein! Aber jetzt kann ich es nicht mehr rausradieren! Oh, wie dumm von mir! Warum habe ich nur keinen Bleistift benutzt?«
Die Gesichtsfarbe der Kreuzworträtsel-Lady hatte mittlerweile einen so dunklen Lilaton erreicht, dass sie eher einer Aubergine als einer alten Dame glich. Selber schuld! Denn meiner Ansicht nach gab es überhaupt keinen Grund dafür, mir Patricks Unterlagen vorzuenthalten. Er wusste schließlich auch alles über meine Vergangenheit.
»Du willst seine Akte?« Sie riss die Schublade neben sich auf, zog eine dünne Aktenmappe hervor und knallte sie vor mir auf die Theke. »Bitte schön!«
Ich nahm die Akte an mich und schenkte ihr ein strahlendes und diesmal wirklich aufrichtiges Lächeln.
»Danke schön!«
Dann ließ ich ihr Kreuzworträtsel auf die Theke fallen und stürmte so schnell aus dem Slice, dass ich beinahe die Glastür zerschmettert hätte. Patricks Akte fest an meine Brust gedrückt, beamte ich mich an den einzigen Ort, von dem ich wusste, dass ich dort in Ruhe lesen konnte, ohne dass mich jemand störte.
Die Brücke.
Als meine Füße einige Sekunden später auf dem orangefarbenen Gitterrost der Golden Gate Bridge landeten, dachte ich daran, dass Patrick wahrscheinlich stolz auf mich wäre.
»Perfekte Landung«, flüsterte ich.
Meine Lungen füllten sich mit Meeresluft, und ich spürte, wie ich mich entspannte. Es war heute relativ windstill, und der Himmel war in ein verschlafenes Graulila getaucht. Vor mir erstreckten sich majestätisch und geheimnisvoll die Bergketten, und die Sonne wärmte mich, während sie dem Horizont entgegenwanderte.
»Also los«, sagte ich. »Schluss mit den Geheimnissen.« Behutsam öffnete ich die Akte, in der ein dünner Papierstapel lag, und überflog rasch die erste Seite. Ein Fragebogen, genau wie der, den ich vor fast einem Jahr ausgefüllt hatte. Die Bleistiftschrift war verblasst und kaum noch zu lesen, aber ich konnte dennoch einige der Antworten entziffern.
NAME: Patrick Aaron Darling
Darling? Er hieß Darling? Warum in aller Welt hatte ich ihn nie nach seinem Nachnamen gefragt?!
Ich las weiter.
GEBURTSDATUM : 1 . August 1965
STERBEDATUM : 11 . Juli 1983
Oh. Es war eine Sache, mit ihm darüber zu scherzen, aber es war etwas anderes, das schwarz auf weiß vor sich zu haben. Ich war tatsächlich die ganze Zeit mit einem Fünfundvierzigjährigen herumgehangen – im Grunde genommen. Ich las weiter.
TODESURSACHE: Sui Caedere
Offenbar reichte Patricks nervende Angewohnheit, mit lateinischen Begriffen um sich zu werfen, weit zurück. »Sui Caedere?«, murmelte ich. »Ist das etwa der lateinische Ausdruck für Hoppla, ich habe mein Motorrad zu Schrott gefahren ?« Ich schüttelte den Kopf. »So ein Idiot.«
Ich versuchte, weitere Antworten zu entziffern, aber die meisten waren zu verblasst, um sie noch lesen zu können. Mit Ausnahme der letzten zwei Zeilen ganz unten.
HOFFNUNGEN : Dass Lily mich finden wird
TRÄUME : Dass sie mir vergibt
Endlich, ein realer Anhaltspunkt, der mir weiterhelfen konnte.
Ein Name.
»Lily.« Ich sprach den Namen langsam aus, ließ ihn mir auf der Zunge zergehen. So hieß also das Mädchen, das er damals geliebt hatte. »Patrick und Lily.« Das klang gut. Das passte.
Für einen Moment spürte ich einen klitzekleinen
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