Weisst du eigentlich, dass du mir das Herz gebrochen hast
Anflug von Eifersucht, obwohl ich natürlich wusste, wie blöd das war. Warum in aller Welt sollte ich eifersüchtig auf jemanden sein, den Patrick vor einer Ewigkeit gekannt hatte, lange bevor ich überhaupt geboren wurde?
Dafür gab es keinen Grund. Absolut keinen.
»Mach dich nicht lächerlich, Brie«, schimpfte ich mit mir. »Reiß dich zusammen.«
Ich tat mein Bestes, das Gefühl zu verdrängen, und konzentrierte mich darauf, was für eine brillante Detektivin ich doch war. Vielleicht noch nicht ganz auf Sherlock-Holmes-Niveau, aber zwei neue Hinweise waren besser als keiner. Die Frage war nur, was hatte er ihr getan? Was sollte sie ihm verzeihen?
Typisch Junge, die bauen immer Mist.
Ich überflog einige Papiere, die einen offizielleren Eindruck machten – nichts, was einen genaueren Blick wert gewesen wäre –, und entdeckte ein Foto von einem Baby mit dunklen Haaren, dunklen Augen und einem unverkennbaren Grinsen.
Erde, bitte kommen! Wir haben soeben erfahren, dass Patrick Darling gesund zur Welt gekommen ist.
Dann stieß ich auf einen zusammengefalteten Zeitungsausschnitt und nahm ihn aus dem Stapel. Im rechten oberen Eck las ich das Datum: 11. Juli 1983. Ich strich den Artikel vorsichtig glatt und breitete ihn auf meinem Schoß aus. Stumm dankte ich dem Himmel, dass er keinen Wind schickte, und las die Überschrift:
Siebzehnjähriger Junge aus Half Moon nimmt sich das Leben
Ich stutzte. Dann las ich die Überschrift noch einmal. Und noch einmal.
»Das kann nicht er sein«, murmelte ich verzweifelt. »Patrick ist bei einem Motorradunfall gestorben …« Mein Blick wanderte zu dem kurzen Artikel.
Wie die Polizei am Sonntagabend mitteilte, hat sich ein Schüler aus der Gegend um Half Moon Bay das Leben genommen. Die Leiche von Patrick A. Darling, 17 , wurde gegen 21:00 Uhr am Breakers Beach gefunden, wo er sich, wie vermutet wird, in den Tod stürzte, nachdem er sich zuvor mehrere Messerstiche zugefügt hatte. Darling hinterlässt seine Eltern und drei Schwestern. Den Angaben zufolge litt er sehr unter dem Verlust seiner Highschool-Liebe, Lillian R. Thomas, 16 , die am vergangenen Wochenende bei einem tragischen Motorradunfall ums Leben kam.
Da spürte ich plötzlich einen enormen Schlag. Berstendes Metall, Stimmengewirr, das Geräusch von Sirenen, und meine Lunge füllte sich mit Rauch. Alles war so laut und intensiv, dass mir schwindlig wurde.
Hilf mir. Bitte hilf mir. Ich bekomme keine Luft.
Die Schreie eines Jungen, seine Hände, sein Mund, der sich auf meinen presste, in der Hoffnung, wieder Leben in mich zu zwingen, obwohl es schon zu spät war. Tränen und Schreie und Küsse und Friedhofstore, die zufielen und mich einschlossen.
Lass mich nicht hier. Bitte lass mich nicht hier ohne dich.
Ich zitterte am ganzen Körper. Rasch blätterte ich zu Patricks Fragebogen zurück und las erneut:
TODESURSACHE: Sui Caedere
»Sui Caedere.« Ich las es wieder und wieder, bis sich die Worte zu einem Wort vereint hatten.
S-U-I-Z-I-D.
Mir glitt das Blatt aus der Hand.
»Er hat mich angelogen«, rief ich. Patrick war gar nicht bei einem Motorradunfall gestorben. Er hatte sich das Leben genommen! Mir stiegen Tränen in die Augen. Aber weshalb? Warum hatte er gelogen?
Graben.
Lasst mich raus.
Kratzen.
Helft mir.
Scharren.
Bitte.
Schweigen. Stille. Stickige Luft. Dunkelheit. Endlos.
Eine Jungenstimme, die durch die Risse im Boden nach unten drang. Erst kaum wahrnehmbar, dann vermischt mit dem schweren, süßlichen Geruch von Benzin und Tränen.
Bitte, sagte die Stimme. Bitte, verlass mich nicht. Ich kann ohne dich nicht leben, Engel.
Mein Blick fiel auf einen weiteren vergilbten Zeitungsausschnitt. Zögerlich nahm ich ihn und sah auf das Datum.
5 . Juli 1983 .
Eine Woche vorher!
Ich faltete den Zeitungsartikel auf und hielt erschrocken den Atem an, als ich ein Bild von der zerstörten Maschine sah. Ein Haufen qualmender Metallteile, ein verbogener Lenker, schwelende Gummireifen und ein zerfetzter Sitz waren mit schockierender Deutlichkeit zu erkennen. Eine verträumte nachmittägliche Fahrt auf dem Highway 101 hatte sich in einen Albtraum verwandelt.
Meine Finger zitterten, als ich die Überschrift las.
Eine Gemeinde trauert
Junges Paar durch tödlichen Motorradunfall auseinandergerissen
Ich übersprang den eigentlichen Artikel, und mein Blick wanderte direkt zu einem kleineren Foto weiter unten, auf dem ein Junge und ein Mädchen zu sehen waren. Die Druckerschwärze war schon
Weitere Kostenlose Bücher