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Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Titel: Weit Gegangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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worden. Ihr Kinder kämt nicht mal an den Anuak vorbei!
    Er gestikulierte wild. Dann sammelte er sich kurz.
    – Falls ihr daran denkt fortzugehen, dann geht, weil ihr dann nämlich zu dumm seid, um hier zu bleiben. Ich will euch nicht haben. Ich will nur Jungen mit Verstand. Geht jetzt, und wenn im Herbst die Schule anfängt, erwarte ich dort nur die Jungs, die klug genug sind, um zu wissen, was sie hier im Gegensatz zur Wüste haben. Lebt wohl.
    Dann eilte er mit raschen Schritten nach draußen, wobei er weiterhin vor sich hin murmelte. Ein paar von den Elf glaubten die Geschichte von den Banditen nicht, weil sie sich nicht vorstellen konnten, was Banditen wohl von kleinen Jungen wollten, aber nach Duts Ausbruch nahm unsere allgemeine Unruhe dramatisch ab. Der Gedanke, dass wir tatsächlich zur Schule gehen könnten, war eine Wunschvorstellung, an die wir nur allzu gern glauben wollten. Moses jedoch blieb skeptisch. In ihm wuchs ein Zorn, der ihn schließlich in Abenteuer treiben sollte, die schlimmer waren als das, das ihn nach Shendi und wieder zurück gebracht hatte.
    – Valentino!
    Ich war eines Tages auf dem Weg zur Messe, die immer unter einem bestimmten Baum nicht weit von den Behausungen der Äthiopier stattfand, als jemand diesen Namen in die Luft warf. Ich hatte den Namen so lange nicht gehört. Ich wandte mich um, und ein Mann, der mir bekannt vorkam, ein Priester, kam auf mich zu. Es war Pater Matong, der Geistliche, der mich in Marial Bai getauft hatte. Er hatte andere Camps in Äthiopien besucht, und jetzt sah er bei den Jungen in Pinyudo nach dem Rechten. Außer Dut und Moses war er der erste Mensch aus meinem früheren Leben, dem ich im Lager begegnete. Ich blieb eine Weile stehen, stumm, und starrte ihn an. Einen Moment lang hatte ich das Gefühl, als könne sich die Welt, aus der ich ihn kannte, mein Heimatdorf und alles, was dazu gehörte, um ihn herum selbst neu erschaffen.
    – Mein Sohn, geht es dir gut? Er legte eine Hand auf meinen Kopf. Es fühlte sich wunderbar an. Noch immer brachte ich kein Wort heraus.
    – Komm mit, sagte er.
    An diesem und an anderen Tagen in den zwei Wochen, die er in Pinyudo blieb, ging ich mit Pater Matong spazieren. Ich weiß nicht, warum er Zeit mit mir allein verbrachte, aber ich war dankbar dafür. Ich stellte ihm Fragen zu Gott und dem Glauben, und vielleicht war es ungewöhnlich, mit welcher Aufmerksamkeit ich seinen Antworten lauschte.
    – Wer war Valentino?, fragte ich eines Tages.
    Wir waren auf einem unserer Spaziergänge, und er blieb wie angewurzelt stehen.
    – Das weißt du nicht?
    – Nein.
    – Hab ich dir das denn nie erzählt? Er ist doch mein Lieblingsheiliger!
    Er hatte es mir nie erzählt. Ebenso wenig wie er mir gesagt hatte, warum er diesen Namen für mich ausgesucht hatte.
    – Wer war er?, fragte ich ihn.
    Wir gingen an einer Landepiste vorbei. Eine Gruppe Soldaten lud riesige Kisten aus einem Frachtflugzeug. Pater Matong blieb einen Moment stehen und sah zu, dann wandte er sich ab und wir gingen zurück Richtung Lager.
    – Er lebte vor langer Zeit, mein Sohn. Vor dem Großvater deines Großvaters. Vor dessen Großvater und vor dessen Großvater. Vor noch mehr Großvätern, als es Sterne gibt. Er war Priester, wie ich, ein gewöhnlicher Priester namens Valentino. Er arbeitete in Rom, in einem Land, das heute Italien heißt, weit im Norden, wo weiße Menschen leben.
    – Dann war er ein Weißer?, fragte ich. Der Gedanke war mir noch nie gekommen.
    – Das war er. Und ein selbstloser Mensch. Er predigte seiner Herde, aber er interessierte sich ganz besonders für Gefangene. Damals wurden in Rom viele Menschen unter fragwürdigen Umständen eingekerkert, und Pater Valentino wollte ihnen das Wort Gottes bringen. Also ging er zu den Gefangenen und brachte ihnen das Wort des Herrn, und die Männer wurden bekehrt. Den Gefängniswärtern gefiel das nicht. Sie ärgerten sich über seine Besuche und das Licht, das er in das Leben der Gefangenen trug. Also wurde auch er bestraft. Er wurde eingesperrt, er wurde geschlagen, er wurde weggeschickt. Aber wieder und wieder fand er Mittel und Wege, um zu den Gefangenen zu sprechen, und bald darauf bekehrte er sogar die blinde Tochter eines der Wärter.
    Beim Gehen hatten wir nicht gemerkt, wie nah wir der Kaserne der äthiopischen Soldaten gekommen waren. Wir hörten Stimmen, und gleich darauf waren wir bei einer Gruppe von Soldaten, die in einem Pulk zusammenstanden und bei einem Kampf zuschauten, der

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