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Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Weit Gegangen: Roman (German Edition)

Titel: Weit Gegangen: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dave Eggers
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Wimpern auf denjenigen richten, den sie gerade ansprach.
    Wir Jungen sprachen zu jeder Tages-und Nachtzeit über sie. Wir hielten spezielle Treffen im Haus des echten Dominic, Dominic Dut Mathiang, ab, um ihre Vorzüge zu erörtern.
    – Ihre Zähne sind nicht echt, meinte ein Junge.
    – Doch. Sie hat sie in England verschönern lassen.
    – In England? Du spinnst. So was tun die Leute in England nicht.
    – Aber die können nicht echt sein. Seht euch unsere Zähne an und dann ihre.
    Unser erstes Stück hieß »Zwangsheirat«, eine dramatisierte Darstellung des alten sudanesischen Brauchs, die aber auch Alternativen aufzeigen sollte. Ich spielte die Rolle eines Ältesten, der strikt dagegen war, eine junge Frau in eine Ehe zu zwingen, die nicht aus Liebe geschlossen wurde. In dem Stück stieß ich mit meiner Haltung bei vielen anderen Ältesten, die das bestehende System befürworteten, auf Ablehnung. Am Ende gewann die Mehrheit, und das Mädchen wurde verheiratet. Wir überließen es unserem jugendlichen Publikum zu entscheiden, ob es inakzeptabel war, an diesem System festzuhalten.
    Dieses erste Stück führten wir Dutzende Male überall in Kakuma auf, und weil es stellenweise ganz lustig war und vor allem weil Miss Gladys darin einen Auftritt hatte – als Schwester der Braut –, kam es sehr gut an, und man drängte uns weiterzumachen. Also schrieben wir Stücke über AIDS und wie man sich dagegen schützte, und führten sie auf. Wir schrieben ein Stück über Aggressionskontrolle und Konfliktbewältigung. Ein Stück beschäftigte sich mit dem Kastenwesen und sozialer Diskriminierung im Camp, ein anderes mit den Auswirkungen des Krieges auf Kinder. Wir führten einen Einakter auf, der die Gleichheit zwischen den Geschlechtern zum Thema hatte – dass die Jungen und Mädchen des Sudan so behandelt werden sollten, wie die Kinder in Kenia –, und zu unserer anhaltenden Verwunderung riefen die Stücke Beifall hervor, und unsere Botschaft stieß kaum auf Widerstand, zumindest keinen offenen.
    Doch manche Ältesten schätzten unsere Respektlosigkeit nicht, und der Mann, in dessen Obhut Maria lebte, zählte zu denjenigen, die unser Engagement missbilligten. Eines Tages erschien Maria nicht zur Probe, und als sie drei Tage hintereinander gefehlt hatte, machte ich mich auf die Suche nach ihr. Ich fand sie abends vor ihrem Haus, wo sie am Feuer hockte und asida kochte.
    – Jetzt nicht, zischte sie und eilte hinein.
    Ich wartete ein paar Minuten und ging dann. Erst viele Tage später traf ich sie an der Wasserpumpe wieder.
    – Er lässt mich nicht, sagte sie.
    Ihrem Ersatzvater ging es anscheinend gegen den Strich, wenn Maria nachmittags nicht da war, denn in dieser Zeit kochten die Frauen und holten Wasser für die Nacht und den nächsten Morgen. Von Frauen wurde erwartet, dass sie nach Einbruch der Dunkelheit nicht mehr draußen unterwegs waren, daher blieben Maria zur Erfüllung ihrer häuslichen Pflichten nur die Stunden zwischen Schulschluss und Sonnenuntergang.
    – Ich kann mit ihm reden, schlug ich vor.
    Seit ich Jugendleiter geworden war, hatte ich schon mit anderen Familien gesprochen. Wenn es zwischen den Generationen Verständnisprobleme gab, wurde ich oft als Vermittler hinzugezogen. »Der Junge, der seine Hände sauber hält, isst mit den Ältesten«, hatte Gop mich gelehrt, und dieser Merkspruch prägte täglich mein Verhalten und leistete mir gute Dienste. Als ein anderes Mädchen aus unserer Truppe, eine gertenschlanke Schauspielerin namens Adyuei, nicht mehr an unseren Proben teilnehmen durfte, hatte ich mich eingeschaltet. Zuvor hatte sie ihren Eltern gesagt, dass ich gern mit ihnen sprechen wollte. Als sie einverstanden waren, kam ich am nächsten Abend, brachte ihnen Schreibblöcke und Stifte als Geschenk mit und saß eine Weile mit ihnen zusammen. Ich erklärte, dass Adyuei für unsere Gruppe unersetzlich sei und dass sie einen wichtigen Beitrag zur Jugendarbeit im Camp leiste. Wohl wissend, dass ihre Eltern ebenso wie Marias Eltern auf einen guten Brautpreis angewiesen waren, appellierte ich an ihre finanziellen Interessen. Ich erklärte dem Vater, Adyuei sei mit schauspielerischen Fähigkeiten für ihren zukünftigen Ehemann sehr viel attraktiver und ihre größere Bekanntheit würde mehr Bewerber anlocken, wenn sie ins heiratsfähige Alter kam. Alle meine Argumente zeigten Wirkung, und zwar noch weitaus mehr, als ich erwartet hatte. Adyuei durfte nicht nur an allen Proben teilnehmen, ihr Vater

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