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Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North

Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North

Titel: Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Theroux
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ich aufs Geschäft zu sprechen. Er sagte, sein Name sei Solomon und er sei der Lagerkoch. Er sagte, ich solle hier mit ihm warten, die anderen würden bald heimkommen. Er war sicher, sie wären begierig, zu handeln.
    Auf einem Regal an der Wand stand ein toter, dreibeiniger Wolf, in Packpapier und Schnüre gewickelt. Solomon sagte, der Wolf habe monatelang Jagd auf die Herde gemacht und sei ein echter Scheißkerl gewesen. Um ihn zu fangen, hatten sie am Ende Gift auslegen müssen, worauf sie als Jäger nicht gerade stolz waren. Sie hatten vor, ihn mit zurück ins Dorf zu nehmen, weil ihr Anführer ein Kopfgeld für Wölfe zahlte.
    Bei Sonnenuntergang dann kamen die Hirten einer nach dem anderen eingetrudelt, schlugen die Tür hinter sich zu und setzten sich wortlos zum Essen an den schmutzigen Tisch. Solomon servierte ihnen Karibu-Brocken, die sie mit ihren Messern zu dünnen Fetzen schnitten und in Salz tunkten, bevor sie sie aßen. Dann gab es eine Suppe aus Karibu-Kutteln, bei deren Geruch mir ganz anders wurde, aber wahrscheinlich
war es das Gemüseähnlichste, was sie in den Wintermonaten hatten.
    Immer wenn einer fertig war mit Essen, wischte er mit den Händen die Krümel vom Wachstuch auf den Boden und stand auf, um Platz für den nächsten zu machen.
    Nach einer Weile streckte sich einer von ihnen mit einer ramponierten Gitarre auf seinem zerlumpten Bett aus und sang vor sich hin.
    Ich hatte reichlich gegessen, war lange gereist, und der Ofen pumpte Hitze in den Raum, und so fand ich mich bald dösend auf der Pritsche wieder, die sie mir zur Verfügung gestellt hatten. Mitten in der Nacht jedoch wachte ich auf – über mir der Gitarrenspieler, der mich fragte, ob ich nicht eine oder alle meine Waffen mit ihm handeln wolle. Ich gab ihm deutlich zu verstehen, dass er meine Kugeln allenfalls in den Kopf bekäme, und zwar ziemlich schnell, wenn er sich nicht verzöge.
    Er wich zurück und jammerte darüber, wie unfair ich zu ihm sei. Ich sagte, es sei schlau, die Leute nicht zu stören, wenn sie schliefen, und dass wir am Morgen über das Geschäftliche reden würden.
    Nach dem Frühstück zeigte ich ihnen eine meiner Whiskeyflaschen. Sie waren scharf darauf, das sah ich gleich, aber sie versuchten es auf ihre schlichte Art herunterzuspielen, so als wären sie nicht allzu beeindruckt
davon. Ich wusste es besser, hielt mich aber zurück, damit sie nicht ihr Gesicht verloren.
    Wir feilschten eine Weile um den Preis des Fleisches. Ich hatte mir überlegt, dass es das Beste wäre, die Karibus lebend mitzunehmen. Ich könnte sie an den Schlitten binden, sie könnten aus eigener Kraft laufen und die Flechten unter dem Schnee fressen, und ich könnte sie schlachten, wann immer ich wollte. Die Hirten beharrten allerdings darauf, dass ich in diesem Fall auch für die Felle zahlen müsse. Schließlich änderte ich meinen Plan, wir einigten uns auf einen Preis, spuckten in die Hände und schüttelten sie uns und tranken einen Schluck Whiskey darauf.
    Dann führten die Männer vier Karibus aus der Herde hinter die Hütte und töteten eines nach dem anderen, wobei sie sie bis zum letzten Moment hätschelten, damit die Todesangst nicht das Fleisch verdarb. Die Tiere rollten mit den Augen, als die Hirten ihnen die Hälse durchschnitten, und Blut spritzte auf den Schnee. Danach schleppten sie die Kadaver weg, um ihnen das Fell abzuziehen und sie auszuweiden. Dampf stieg von den Innereien auf, und die Augen der Tiere wurden glasig. Ich ließ den Hirten die Kutteln, da sie so gierig danach waren.
    Das Schlachten war erledigt, der Schlitten beladen, und am späten Vormittag war ich bereit, aufzubrechen.
Ich verspürte nicht den geringsten Wunsch, noch länger zu bleiben, während diese Burschen sich mit Whiskey volllaufen ließen. Wenn sie vernünftig waren, würden sie ihn weitertauschen, aber ich hatte bei ihnen so meine Zweifel – vor allem Gustav, so hieß der Gitarrenspieler, sah ganz danach aus, als hätte er ein Besäufnis im Sinn.
     
    Es stellte sich jedoch heraus, dass er weitaus schlauer war, als ich gedacht hatte. Und ich war so unachtsam, zu glauben, dass in fünfzig Meilen Umkreis niemand außer einem toten Wolf und einem halben Dutzend betrunkener Karibu-Hirten war. Als ich nämlich die Hütte hinter mir gelassen hatte und den ganzen Tag gereist war, machte ich Rast und schlug mein Lager auf – um am Morgen festzustellen, dass jemand meine Waffen gestohlen hatte, während ich geschlafen hatte. Das Gewehr, die

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