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Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North

Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North

Titel: Weit im Norden - Theroux, M: Weit im Norden - Far North Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Theroux
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Platz in dieser Welt. Aber nur, weil ich nicht fein esse und keine Skrupel habe, jemanden umzubringen, und nicht tanzen oder Noten lesen kann, heißt das nicht, dass ich mir die Dinge nicht anders wünsche.

    Wilde Hunde hatten etwas Fleisch vom Schlitten gestohlen, aber es war noch jede Menge da, also konnte man die Reise wohl als Erfolg werten. Ich hatte frisches Essen und meine Waffen, und als ich nach der Stute rief, kam sie aus der Gruppe Lärchen getrabt, wo ich sie zurückgelassen hatte.
    Wegen des zusätzlichen Gewichts dauerte die Rückreise länger – eine Woche statt fünf Tage –, und als ich endlich die Stadt erreichte, war ich ziemlich erledigt und stank wie alter Käse.
    Ich klopfte ans Tor, und Ping schielte mit dem Gewehr aus einem der oberen Fenster. Sein Gesicht hellte sich auf, als er mich sah. Kurz darauf hängten wir das Fleisch im Hinterhof auf, wo es vor der Sonne geschützt war. Und dann verspürte ich den dringenden Wunsch, mich gründlich zu waschen.
    Es war kälter geworden, seit ich weggegangen war, und das Wasser im Brunnen war gefroren. Ping, der es nicht besser wusste, hatte sich offenbar damit abgefunden, aber ich hasste es, wenn das Wasser knapp wurde.
    Es war noch nicht dunkel, also nahm ich Ping auf dem Schlitten mit zum See, wo wir mit der Eissäge ein, zwei Stunden lang Eisblöcke herausschnitten, bis wir eine ganze Ladung zusammenhatten. Die Blöcke glitzerten im gelben Licht der untergehenden Sonne wie zu groß geratener Kandiszucker oder blassblauer
Türkischer Honig, mit Puderzucker bestäubt. Wir nahmen sie mit heim und stapelten sie im Hof.
    Dann machte ich Feuer im Ofen des Badehauses. Pa hatte es aus Zedernholz gebaut, und die Luft im Inneren roch selbst bei Kälte noch süß, doch wenn es heiß wurde, schien der Duft regelrecht aus dem Holz zu sickern und einem in der Nase zu knistern. Auf dem Ofen erhitzte ich etwas Wasser in einem Kupferkessel, und als es zu kochen begann, wuchtete ich einen der Eisblöcke hinein. Er zischte und knackte in der Hitze.
    Das Badehaus brauchte eine gute Stunde, um heiß genug für ein Dampfbad zu werden, und bis dahin war die Sonne untergegangen, und die Sterne durchstachen das Marineblau der Nacht wie Nadelspitzen. Ich wickelte mich in einen dicken Mantel, griff mir Handtücher und Pantoffeln und überquerte den Hof. Träge stieg der Rauch in die kalte Luft, sank tiefer, je mehr er sich abkühlte, bis er wie eine Wäscheleine seitwärts über den Himmel zog.
    Ich hängte meine Sachen im Vorraum an die Haken und öffnete die knarrende Tür, um in die Hitze einzutauchen. Der Schmutz schien geradezu aus mir herauszufließen und bildete dunkle Rinnsale in meinen Bauchfalten.
    Währenddessen klapperte Ping draußen im Hof herum. Vielleicht war er unschlüssig, ob er reinkommen
sollte, also rief ich nach ihm. Nach einer Weile öffnete sich die Tür, und sein Gesicht erschien im Spalt. Ich wollte keine Hitze verlieren, und das Blut, das in meinen Ohren pochte, machte mich wohl ziemlich ungestüm, jedenfalls schrie ich ihn an, er solle entweder reinkommen oder die Tür schließen, und schon stand er drinnen, bis zum Hals in Charlos alten Bademantel und ein paar zusammengerollte Handtücher gehüllt, ohne auch nur einen Zentimeter Haut zu zeigen.
    Er starrte mich mit großen Augen an. Das heißt, er starrte auf meine Titten, die aus dem Handtuch gerutscht waren, und auf meinen Busch. Es musste ein ziemlicher Schock für ihn sein, da er ja einen Kerl erwartet hatte, nicht ein knochiges Mädchen im Eva-Kostüm, aber egal: Ich wusste, was ich war, und ich wusste nicht, wie ich es ihm sonst hätte beibringen sollen.
    Er starrte aber eine lange Zeit. Und dann öffnete sich sein Mund, als ob er etwas sagen wollte. Und dann zitterten seine Hände am Knoten des Bademantels, und er zerrte daran, als ob er es eilig hätte, ihn loszuwerden. Und mir kam der Gedanke, dass er etwas gesehen hatte, das ihm gefiel und wovon er ein Stück abhaben wollte, was überhaupt nicht in meiner Absicht lag. Also ballte ich die Faust, um ihm einen zu verpassen, wenn er noch einen Schritt näher
kam, doch dann fiel der alte Bademantel zu Boden, und Ping krümmte sich vor Schluchzen, und Tränen und Rotz liefen ihm über das Gesicht.
    Und das war das Allerseltsamste: Ping war auch eine Frau.
    Es war nicht zu übersehen: Der Knick über der Hüfte, die kleinen orientalischen Brüste, die kohlschwarze Matte zwischen den Beinen. Und das war noch nicht alles: Ihrem geschwollenen

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