Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
produziert wie »Big Macs«. Auch Häuser kann man hier kaufen, als kämen sie vom Fließband. Und das tun sie eigentlich auch. Man nennt sie »Project-Homes« – Projekthäuser. Ein Heim von der Stange.
Eine gute Geschichte für meine Zeitungen. »Schreib mal«, sagt der Redakteur.
In Casula treffe ich Robert. Er ist Verkaufsmanager der Projekthaus-Firma Redwood. Früher hat er Gebrauchtwagen verkauft. Redwood hat hier, in diesem tristen Vorort von Sydney, mehrere Musterhäuser aufgebaut. Zwischen einer Schnellstraße und sieben Gebrauchtwagenhändlern. »Display-Villages« nennt man solche Anlagen. Ein Herzeige-Dorf für verschiedene Anbieter. Firmen wie Redwood nutzen sie als Anschauobjekte für mögliche Käufer. Nach ein paar Jahren werden die Häuser an frisch verheiratete Paare verkauft. Und schon ist wieder ein Vorort entstanden, durch den am Samstagnachmittag das vertraute Brummen von Rasenmähern dringt und das Bellen von Pitbull-Terriern.
»Das ist das Modell › Macquarie ‹«, sagt Robert und führt mich durch das erste Haus. Zwei Stockwerke, sechs Zimmer, drei Badezimmer, ein Medienraum, ein Bastelraum und eine Küche so groß, dass man darin eine Privatarmee bekochen könnte. In den Bücherregalen stehen die gesammelten Werke von Shakespeare. Daneben eine Schale mit Äpfeln. Die »Bücher« sind nur Hüllen, die Äpfel aus Plastik. Ausstellungsstücke. »Das Haus hat ein integriertes Klimasystem«, erklärt Robert, »und auch das Staubsaugen ist hier viel einfacher für die Frau«, meint er. Offensichtlich staubsaugen in australischen Häusern niemals Männer, denke ich. Robert öffnet eine kleine Tür in der Wand. Dort hängt, säuberlich aufgerollt, ein Schlauch. »Wir haben in jedem Zimmer einen integrierten Staubsauger«, erklärt er. »Wenn das System voll ist, können Sie es über das integrierte Abfallsystem leeren«, sagt er stolz. Bei so viel Integration kann ich mir die Frage nicht verkneifen, ob das Modell »Macquarie« auch eine integrierte Putzfrau habe. 412 Quadratmeter Wohnfläche. Da braucht man eine. Robert lacht. »Gute Idee«, meint er. »Schreibe ich mir auf.«
»Project-Homes« sind ein Traum, den sich die Massen erfüllen können. Pro Jahr werden in Australien im Durchschnitt 155 000 Häuser gebaut. Projekthäuser sind in den Vororten der großen Städte um ein Vielfaches beliebter als von Architekten entworfene, individualisierte Modelle. Denn sie kosten, gemessen an der Größe, unglaublich wenig. Ab 150 000 Euro ist ein Basismodell zu haben – fix und fertig gebaut, wenn man bereits Land hat. Nach wenigen Monaten Bauzeit kann man dann einziehen und braucht nur einen Knopf zu drücken, um – je nach Jahreszeit – die elektrische Heizung oder die Klimaanlage einzuschalten »und sich wohl zu fühlen«, sagt Robert.
Angenehm. Für einen Europäer, der an Nachhaltigkeit und Umweltschutz interessiert ist, sind die meisten »Project-Homes« jedoch ein Alptraum. Um die Kosten niedrig zu halten, um die Produktion einfach und effizient zu gestalten, wird an allen Ecken und Enden gespart. Was nicht absolut notwendig ist, wird weggelassen. Das bedeutet: Isolation, Wärmedämmung, Energieeffizienz sind in der Regel optional. Ein Käufer kann sich entsprechende Produkte zwar einbauen lassen, wenn er danach fragt – und dafür bezahlt. Aber das kostet. »Wie bei McDonald’s«, erklärt Robert, »haben wir eine Liste mit den Extras.« »Upsizing« mit Fenstern statt mit Pommes. »Wenn Sie doppeltverglaste Fenster wollen statt nur die standardmäßig einmal verglasten, können wir aufwerten. Das kostet dann aber 6000 Dollar extra.« Die wenigsten Käufer täten das, sagt Robert. »Die meisten sind mit ihrem Budget schon so am Limit.« Wenn ein »Upgrade« verlangt werde, sei das meist eine stärkere Klimaanlage. »Das kostet dann 1000 Dollar zusätzlich.« 1000 Dollar jetzt, Zehntausende Dollar über das Leben des Hauses. Ich rechne schnell aus: Die Klimaanlage »Breeze« im »Macquarie« alleine frisst im Monat so viel Strom, wie wir in der Schweiz in einem Jahr zum Betrieb einer Dreizimmerwohnung gebraucht haben, inklusive Herd und Ofen. Eigentlich bräuchte dieses Haus sein eigenes Kohlekraftwerk.
Ich mache mich wieder auf den Weg nach Hause. Auch nach all diesen Jahren geht mir die geradezu endemische Energieverschwendung in Australien auf den Keks. Seien es Heizungen, die im Winter bei eisiger Kälte draußen in den Läden auf Hochtouren laufen, und das bei
Weitere Kostenlose Bücher