Weit weg im Outback: Unser Leben in Australien (German Edition)
Eliteschulen haben schon ein Existenzrecht«, sage ich zu Lynn, »wenn die Leute glauben, dass es ihren Kindern dort bessergeht als in einer staatlichen Schule.« Und das ist erstaunlicherweise keineswegs immer der Fall. Trotz der Tennishallen, Bootsanlegestellen und Schulexkursionen nach London und Paris ist der durchschnittliche HSC-Abschluss von Privatschülerinnen und -schülern oftmals nicht besser als der von Kindern in öffentlichen Schulen. In vielen Fällen übertreffen sogar die Ergebnisse öffentlicher Schulen die der privaten. Offenbar fördern 500 Dollar teure Schuluniformen, die an die Gewänder aus den napoleonischen Kriegen erinnern, die Intelligenz der Kinder nicht in dem Umfang, wie sich das viele Eltern wohl erhoffen.
Unsere Entscheidung ist jedenfalls klar: Samuel und David werden in eine öffentliche Schule gehen, wie 70 Prozent der australischen Kinder. Greentown High. Sorry, Jungs: Faserpelzpullover, T-Shirt und Hose aus dem Supermarkt statt superfeiner Wolle, roten Schulterpaletten und Goldlametta. Für das Geld, das wir an Schuluniformen sparen – und an Schulgebühren –, bauen wir uns lieber ein besseres Haus.
KAPITEL 26
Es ist kein leichtes Unterfangen, zu entscheiden, welche Art von Heim man bauen will, wie groß es sein soll, wie strukturiert, welche Qualität man will und was man dafür bezahlen möchte oder kann. Eines aber ist klar: Wenn man im Busch wohnt, mitten in der Wildnis, herrschen andere Gesetze. Der Feind steht nur zwanzig Meter hinter dem Platz, wo unser Haus hin soll: ein Termitenhaufen. Fast zwei Meter hoch ist er, orange-braun und eigentlich ganz nett anzusehen. Doch für jeden Hausbesitzer ist er ein potentieller Alptraum. 300 Arten von Termiten gibt es in Australien, in den Tropen ebenso wie in den kühleren Landesgegenden. Die Insekten haben im australischen Ökosystem entscheidende Aufgaben. Sie fressen totes Holz, das reduziert die Feuergefahr in den Wäldern. Eine Vielzahl von Termiten ernährt sich zudem von Gräsern, allem voran dem im Outback weitverbreiteten Spinifex-Gras. Aber nicht bei uns. Unsere Termiten leben von Holz. Weichholz. Solches Holz, wie es hierzulande jedes Jahr millionenfach zum Bauen verwendet wird.
Christine und ich überlegen uns lange, ob wir das Risiko eingehen sollen, mit Weichholz zu bauen – Tannenholz, in der Regel importiert aus Neuseeland. Es ist einfach zu verarbeiten und billig. Der Preisunterschied zu Hartholz – australischem Eukalyptus – ist enorm. Bis zur Hälfte mehr würde das kosten. Wegen der Härte ist es viel schwieriger zu verarbeiten. Schrauben statt Nägel, Bohrer statt Hammer. Das dauert länger, das erhöht die Kosten ebenfalls. Dafür wäre es fast sicher vor Termiten. Einige Termitenarten schrecken auch vor einem gelegentlichen Stück Hartholz nicht zurück.
Also doch Tanne? Die Entscheidung wird uns abgenommen, als wir am Abend im Fernsehen die Geschichte einer Familie sehen, die vor fünf Jahren in Südaustralien ihr Traumhaus gebaut hatte. Als der Mann vor ein paar Wochen im Wohnzimmer ein Bild aufhängen wollte, bohrte er in die Wand – direkt in einen Balken, der zum Gerüst des Hauses gehörte. Er hoffte, die Schraube würde dort besseren Halt finden. Weit gefehlt. Nicht nur die Schraube sank ein, sondern der bedauernswerte Heimwerker, mitsamt seinem Bohrer. Der Mann fiel durch die Wand und blieb unter einer Wolke aus Staub und Gips am Boden liegen. Der Holzpfosten war nicht mehr da, und mit ihm der Rest des Hausgerüstes. Termiten hatten es aufgefressen. »Es ist ein Wunder, dass dieses Haus überhaupt noch steht«, gab der Inspektor der Fernsehreporterin zu Protokoll. Nur die Gipsplatten der Wände hätten dem Gebäude noch etwas Stabilität verliehen.
»Das soll uns nicht passieren«, sagt Christine deprimiert. »Tanne ist keine Option.« Ein Haus, gebaut aus Hartholz, das kommt auch nicht in Frage. Zu teuer. Dann erinnere ich mich an eine Broschüre, die in dem Haufen von Prospekten von Baufirmen steckt, den wir in den letzten Wochen auf unserem Küchentisch aufgetürmt haben: »Lassen Sie die Termiten sich die Zähne ausbeißen. Bauen Sie mit Stahl«, lautet die Überschrift. Auch nicht billig, aber günstiger als Hartholz. »Und einfach zusammenzubauen. Das kann jeder Heimwerker«, verspricht die Broschüre. Den Spruch kennen wir. Drei Tage später haben wir den Vertrag unterschrieben. Verkäufer Shaun verspricht: Die Firma baut in der Fabrik das Stahlgerüst zusammen und wird es,
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