Weites Land der Sehnsucht: Australien-Roman (German Edition)
gegeben. Das Ende des Mindestpreises musste wahrscheinlich früher oder später sowieso kommen, aber es wurde einfach unglaublich schlecht gehandhabt.
Sarah war oft an der Stelle vorbeigeritten, wo die Schafe begraben lagen, und hatte versucht, sich jenen schrecklichen Tag vorzustellen, an dem wahrscheinlich wie immer die Sonne aufgegangen war und die Vögel gesungen hatten.
Matt Leach zuckte mit den Schultern. » Und dann die Überschwemmung und jetzt diese verdammte Dürre. Fahren Sie noch häufig nach Hause, Sarah?«
» Ein oder zwei Mal im Jahr.«
» Und Ihr Großvater lebt immer noch da. Nun, das ist ja schön. Und Anthony könnte man vermutlich auch nicht mehr verpflanzen.«
» Nein, er ist immer da.«
» Ihr habt Glück, dass ihr ihn habt.«
» Ja.«
» Das hört sich aber gar nicht so überzeugt an.«
Sarah nahm ein Glas Champagner vom Tablett eines Kellners. Am liebsten hätte sie jetzt etwas Stärkeres getrunken. Matt nahm ein Glas Mineralwasser und trank es rasch aus. » Und warum sind Sie in Sydney?«
» Wie bitte?«
» Warum sind Sie aus dem Busch weggegangen?«
» Mein Bruder ist gestorben.« Es war ihre Standardantwort auf die Standardfrage: Danach wolltest du also nicht mehr da leben? » Sie stellen aber viele Fragen, Mr Leach.«
» Ich möchte wahrscheinlich einfach nur gerne wissen, warum die Leute weggehen, vor allem junge Leute. Es klingt so, als hättest du einen Vorwand gebraucht, um zu flüchten.«
» Nein, das stimmt nicht.« Sarah trank einen Schluck Champagner. Ihr Gespräch ähnelte eher einem Verhör.
» Dann gehen Sie also nicht nach Wangallon zurück?«, fragte Matt. Wenn Angus Gordon ihm nicht vor zehn Jahren diesen großen Gefallen erwiesen hätte, dann hätte er sich jetzt hier nicht als Privatdetektiv betätigt.
» Nun…«
Sarah hatte sich anscheinend noch nicht entschieden. Das zumindest konnte er ja schon einmal weitergeben. » Sie sind als Einzige übrig, nicht wahr? Ich meine, Sie sind die letzte Gordon, oder?«
» Ja.«
Sarahs Wangen röteten sich. Matt wurde es langsam unbehaglich, und Angus’ Enkelin schien es genauso zu gehen. » Und?«, drängte er. Er hatte versprochen, eine definitive Antwort abzuliefern, aber das Gespräch ging so schleppend vonstatten, dass er bei seinem Haustier schneller zum Ziel gekommen wäre. Vielleicht sollte er einfach Klartext reden. » Sagen Sie mir nicht, Sie hätten sich in einen Jungen aus der Stadt verliebt?«
» Nach Camerons Tod hat sich vieles geändert, Mr Leach. Ich musste mir ein neues Leben aufbauen.«
Matt lutschte an einem Eiswürfel aus seinem Glas. Im Stillen dankte er Gott. Er hatte erfahren, was Angus wissen wollte, und damit waren die Zinsen auf die fünfzigtausend Dollar, die ihm Angus damals geliehen hatte, bezahlt.
» Ich bin ein Mädchen, Mr Leach, und ich habe mit Vorurteilen zu kämpfen.«
Matt stellte sein leeres Glas auf dem Tablett eines vorbeikommenden Kellners ab und blickte in das bekümmerte Gesicht der jungen Frau vor ihm. Das Mädchen hatte die dunkelblauen Augen der Gordons, und in ihnen stand tiefer Kummer. » Wir alle haben mit Vorurteilen zu kämpfen, Sarah«, sagte er. » Es kommt immer darauf an, wie man damit umgeht.«
Nun, dachte Sarah, Ende der Lektion. » Sonst noch was?«, fragte sie frech.
» Richten Sie Ihrem Großvater meine Grüße aus.«
» Ja, das mache ich, danke.« Sarah schaute ihm nach. Dann blickte sie auf ihr Glas, dessen Inhalt jetzt warm geworden war. Auf der anderen Seite des Saals stand Jeremy mit Julie und Petra. Sie lachten alle drei. Sally Bounds, eine frühere Kundin, winkte Sarah zu und versuchte, ihre Aufmerksamkeit zu erringen. Sarah wünschte sich, sie könnte ihren Trübsinn einfach abschütteln und mit Sally ein Glas trinken, aber eigentlich wollte sie jetzt nur noch nach Hause und sich mit einem Glas Cabernet auf die Couch setzen. Sie winkte Sally zu und verließ den Empfang.
Zu Hause schlüpfte sie in ihren weichen Baumwollmorgenmantel und genoss den Komfort ihrer kleinen Studiowohnung. Dieses Geschenk ihrer Großmutter war ihr Zuhause gewesen, seit sie Wangallon verlassen hatte. Vom winzigen Balkon aus hatte man einen wundervollen Blick auf den Centennial Park. Die Wohnung war in Weiß und einem blassen Grün eingerichtet, und an den Wänden hingen zahlreiche gerahmte Fotografien, darunter auch alte Luftaufnahmen von Wangallon und West Wangallon.
Auch die Schwarz-Weiß-Aufnahmen von Schottland hatte sie gerahmt. Es waren Bilder von Lochs und
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