Weites Land der Träume
vorbereiteten Speisen verschmähten. Dennoch betrieb sie tapfer Konversation mit dem Ehepaar, das sich in langatmigen Schilderungen seiner verschiedenen Krankheiten erging. Immer wieder warf Alice neidische Blicke auf das andere Ende des Tisches, wo sich alle offenbar prächtig amüsierten. Während Alice eine Schilderung von Sir Godfreys Gallensteinen und eine glühende Lobrede auf den Kaktus Aporocactus flagelliformis über sich ergehen ließ, heulte ein eisiger März-wind um das Haus, und der Regen prasselte vom Himmel. Erleichtert nützte sie die Gelegenheit, sich in die Küche zu flüchten, um den Hauptgang anzurichten und Geschirr zu decken und abzuräumen, und war so beschäftigt, dass sie die schwarze Pfütze nicht bemerkte, die allmählich unter der Hintertür hindurchquoll.
Teddy mühte sich mit einem Fenster ab, das aus den Angeln gerissen zu werden drohte. »Ein ziemlicher Sturm da draußen«, meinte er seelenruhig und kehrte an seinen Platz zurück, um sein Fachgespräch mit Judd fortzusetzen. Alle ließen sich das in dunklem Bier gegarte Rindfleisch – ein Rezept von Monica – schmecken, zu dem es Kartoffeln in Sahnesauce und gedünstete Karotten gab.
Lady Evesham bewegte die Füße in den zu engen und zu hohen Schuhen, schob den Großteil des Essens beiseite und begann erneut einen langen Vortrag über das Umtopfen und das Anmischen von Erde. Auf ihrem üppigen Busen prangte ein großer Klecks Sahnesauce.
»Kein optimales Wetter für den guten alten Kaktus«, versuchte Adrian es mit einem Scherz. Er hatte sich eigens für diesen Abend über Kakteen kundig gemacht, da Alice ihn um Hilfe gebeten hatte.
»Vor ein paar Jahren hatten wir einen fürchterlichen Zyklon«, fing Holly am anderen Ende des Tisches an.
Lady Evesham lächelte gütig, trank einen Schluck Rotwein und gab endlich ihrem Bedürfnis nach, aus den Schuhen zu schlüpfen. Als ihre Strümpfe mit Wasser in Berührung kamen, schrie sie leise auf und tastete vorsichtig mit den Füßen.
»Mein Gott! Wir schwimmen!«, kreischte sie dann, was alle Gespräche schlagartig zum Verstummen brachte. Als sie den Kopf unter den Tisch steckte, hätte sie Adrian fast umgestoßen. Alle blickten zu Boden, und Alice starrte Teddy entgeistert an.
»Das Stauwehr!«, riefen sie im Chor aus und sprangen auf. Teddy hastete hinaus, während Alice eilig Putzlappen und Eimer holte. Vergeblich stopfte Monica das Handtuch aus der Gästetoilette in den Spalt unter der Tür. Holly und Judd sahen einander fragend an. Der gesamte Garten war überflutet, und bald stand auch das Esszimmer fünf Zentimeter tief unter Wasser.
Lady Evesham war nicht wiederzuerkennen, als sie ihr langes Abendkleid raffte und nach einem Wischlappen griff. Beim Putzen hielt sie Sir Godfrey eine Gardinenpredigt, bis dieser sich die Hosenbeine hochrollte und sich hilflos umsah. Auf Strümpfen wateten Holly und Alice eilig hin und her und räumten den Esstisch ab, während Judd und Adrian die Stühle umdrehten und sie auf die polierte Tischplatte stellten.
Als Teddy zwanzig Minuten später durchweicht zurückkehrte, bot sich ihm ein Bild aus bleichen behaarten Zehen, Knubbelknien, Schrubbern und Eimern. Doch zumindest wich das Wasser nun rasch zurück. Der tropfnasse Perserteppich wurde zusammengerollt und an die Wand gelehnt. Dekorationsgegenstände lagen in einem Haufen auf den Chintzsesseln, die man eilig mit den anderen tragbaren antiken Möbelstücken hinaus in die Vorhalle geschafft hatte. Zum Glück hatte das Erdgeschoss mehrere Ebenen, sodass die Vorhalle einige Zentimeter höher lag als die Küche oder das Wohnzimmer.
»Tja, ohne Dessert und Kaffee lasse ich Sie nicht gehen«, meinte Alice mit einem gezwungenen Lachen und blickte Teddy hilfesuchend an, nachdem der Großteil des Wassers aufgewischt war. An der Wand zeichnete sich ein schlammiger Rand ab. »Der Teppich ist ohnehin ruiniert. Also können wir uns genauso gut am Feuer trocknen.«
»Gute Idee«, stimmte Teddy zu und wich Alices Blick aus. Mit schmatzenden Schritten ging er über den Teppich und legte noch ein Scheit ins Feuer. Lady Evesham, die in ihrem Element schien, gesellte sich, das Kleid immer noch gerafft, zu ihm und erzählte, um wie viel schlimmer so ein Abenteuer wohl in Indien ausgegangen wäre.
Gehorsam drängten sich die übrigen Gäste auf dem Sofa, dessen Beine auf Handtüchern ruhten, vor dem Feuer und balancierten Teller mit Crème Brûleé auf den Knien. Wenn ein Tropfen aus nassen Säumen und
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