Weites Land der Träume
amüsantes Tischgespräch vergessen, denn anstatt des Leiters der historischen Fakultät müssen wir diesen bodenlosen Langweiler von Corpus Christi zu uns bitten. Seine Frau plappert ohne Punkt und Komma über Kakteen. Er wurde nur eingeladen, weil er in diesem Jahr zum Ritter geschlagen worden ist. Ich fasse es nicht.« Erbost schlug er die Hände vors Gesicht. »Aber wenn wir uns drücken, wird man das gegen mich verwenden, und das kann ich mir nach dem kleinen Fiasko von dieser Woche nicht leisten.«
Plötzlich kam Vicky hereingelaufen und hinterließ Schlammspuren auf dem dicken Wollteppich. Sie trug ihre Gummistiefel verkehrt herum und hatte den leuchtend gelben Regenmantel mit der Innenseite nach außen über einen mit Matsch bespritzten Pyjama gezogen. Ihre blauen Augen funkelten, ihre Wangen waren gerötet, und ihr Haar hatte sich in ein wirres Durcheinander verwandelt.
»Daddy, Daddy! Ich habe einen Frosch gefangen«, jubelte sie und schwenkte ein Marmeladenglas voll mit Unkraut und schmutzigem Wasser.
»Vicky! Ich habe dir doch gesagt, du sollst im Haus bleiben. Schau dich nur an. Ich dachte, du wärst oben. Und dabei hast du gerade erst gebadet«, schimpfte Alice.
»Zeig es deinem Daddy, Schatz.« Beim Anblick seiner zerzausten Tochter, die sich inzwischen vollständig von der Erkältung erholt hatte, verrauchte Teddys Zorn. Er bückte sich und schwang Vicky, die immer noch das Glas umklammert hielt, über dem Kopf. Es war ein Wunder, dass der Großteil des Inhalts nicht überschwappte. »Laden wir doch Monica und Adrian zum Abendessen ein«, schlug er gut gelaunt vor, so als hätte sein Wutanfall nie stattgefunden. »Du verstehst dich gut mit Monica, und Adrian ist immer für einen Lacher gut.« Alice stimmte zu und hoffte, dass Teddys fröhliche Stimmung bis nach der Dinnerparty erhalten bleiben würde.
Am frühen Samstagmorgen schickte Alice Teddy zu Sainsbury’s, einem gut sortierten Lebensmittelgeschäft im Zentrum von Cambridge, um einige Sorten Käse zu kaufen, während sie das Essen vorbereitete. Obwohl Mrs. Peters, ihre Haushaltshilfe, die alle nur Mrs. P. nannten, sich selbst übertroffen und das kleine Haus blitzblank geputzt hatte, war Alice, wie immer vor Einladungen wie dieser, ein wenig nervös.
Um zehn nach sechs kehrte Teddy zurück. »Es kommen zwei Leute mehr zum Essen«, verkündete er.
»Was!«, entsetzte sich Alice, die gerade mit der Schlagsahne beschäftigt war. »Das geht doch nicht. Wo ist der Käse?«
»Hoppla! Entschuldige, Schatz, den habe ich vergessen.
Ich habe in der Stadt zufällig Judd Gimbelstein und seine Frau getroffen. Sie sind hier, um Freunde zu besuchen. Ich musste sie einfach einladen.«
»Oh, Teddy, was soll ich nur mit dir machen?«, seufzte Alice entnervt und fragte sich, wie das Essen nun für zwei zusätzliche Gäste reichen sollte. Andererseits war sie neugierig auf die Gimbelsteins. Judd war Professor in Harvard und für drei Jahre als Austauschdozent am All Souls College in Oxford. Teddy hatte mit ihm am Seidenstraßenprojekt gearbeitet, und sie planten einen gemeinsamen Dokumentarfilm.
Als die Gäste eine Stunde später eintrafen, öffnete der Himmel plötzlich seine Schleusen, als wolle er ganz Cambridge ersäufen, und nichts wies darauf hin, dass es so bald wieder aufhören würde. Die Gäste hasteten ins Haus und entledigten sich ihrer Regenmäntel, Gummistiefel und Schirme, während sie sich miteinander bekannt machten. Alice war von Judd Gimbelsteins weichem Akzent und seinem trockenen Humor begeistert. Holly, seine Frau, war das genaue Gegenteil von ihm, eine Schnellsprecherin Mitte dreißig, die lange rot lackierte Nägel hatte und mit goldenen Armbändern und Ketten behängt war. Sie stürzte sich sofort auf Vicky, die die Gäste begrüßen durfte, und bestand darauf, ihr eine Geschichte vorzulesen, ehe Alice das Kind ins Bett brachte.
»Ich liebe Kinder. Wir haben zwar keine, aber wir versuchen es weiter«, begeisterte sie sich in ihrem knappen Bostonakzent, als sie sich zu den anderen ins Esszimmer gesellte. Alice war verärgert, als sie feststellte, dass Teddy die Sitzordnung verändert hatte. Nun saßen Judd und Monica links und rechts von ihm am einen Ende des Tisches, während Holly und Adrian ihre Plätze in der Mitte hatten, sodass Sir Godfrey und Lady Evesham neben Alice zu sitzen kamen. Im Laufe der Mahlzeit stellte Alice zu ihrer großen Verlegenheit fest, dass die Eveshams den Großteil der von ihr so sorgfältig
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