Weites Land der Träume
zur Sprache bringen könnte. Obwohl sie das Bild von Alice, wie sie in Roberts Armen lag, nicht mehr losließ, zwang sie sich, ruhig zu bleiben. Ihre größte Befürchtung war, dass sie ihre Drohung wahrmachen und mit Stewart würde fortgehen müssen, denn dann hätte sie Wangianna verloren, das doch schon zum Greifen nah schien. Stewart war das einzige Druckmittel, das sie gegen Robert in der Hand hatte.
Allmählich wurde ihr klar, dass Robert als Einziger der Brüder der Leitung einer Farm gewachsen war. Er hatte Karri Karri wieder aufgebaut, während die anderen die Farm heruntergewirtschaftet hatten, und wusste, wie sich mit Schafen Geld verdienen ließ. In Sachen Wolle, Verwaltung und Schafzucht galt er als anerkannter Fachmann. Katie war erstaunt gewesen und hatte sich geschmeichelt gefühlt, als er ihr kurz vor Weihnachten seine Pläne anvertraut hatte, Karri Karri zu verkaufen und von dem Erlös Andrews und Ians Anteile zu erwerben. Sein Angebot, Ian im Austausch gegen seinen Anteil an Karri Karri eine Erntemaschine zur Verfügung zu stellen, hatte alle bis auf Katie, die seine Motive kannte, überrascht. Da Katie sein Vorhaben nicht stören wollte, gab sie sich Mühe, so reizend und kompromissbereit wie möglich zu sein. Sie begeisterte sich über den Vorschlag, nach Karri Karri zurückzukehren, beteuerte immer wieder, sie wolle Robert unterstützen, schrie Stewart nicht mehr so oft an und versuchte sogar, das Haus sauber zu halten. Robert wusste nicht, wie er ihr ungewöhnliches Verhalten deuten sollte, und sein Argwohn wuchs. Nichts wies darauf hin, dass sie vorhatte, die Koffer zu packen und zu gehen. Außerdem waren die Tränen und Wutanfälle in letzter Zeit deutlich seltener geworden. Als sie ihm mitteilte, sie habe sich mit Alice zum Mittagessen verabredet, um sich mit ihr zu versöhnen, erfüllte er ihr gern ihre Bitte, sie doch für ein paar Tage Freunde in Sydney besuchen zu lassen, bevor sie nach Westaustralien zurückkehrten. Robert war froh, dass Chris offenbar gut alleine zurechtkam, und beschloss, seinen Aufenthalt in Wangianna zu verlängern und die Zeit zu nutzen, noch einige rechtliche Einzelheiten im Zusammenhang mit der Aufteilung der Farm zu klären.
Alice stürzte sich in die Arbeit, um sich von Verwirrung, Wut und Trauer abzulenken. Von Selbstzweifeln gequält, hinterfragte sie ständig ihr Verhalten und zermürbte sich mit Vorwürfen, weil sie sich von Robert hatte küssen lassen. Dabei überlegte sie, ob sie vielleicht ein tief sitzendes Bedürfnis hatte, sich an ihrer Cousine zu rächen, dem sie sich endlich stellen musste.
Außerdem grübelte sie ununterbrochen über Roberts Motive nach. Wie hatte er sie so leidenschaftlich küssen können, wohl wissend, dass Katie ganz in der Nähe war? Soweit Alice informiert war, waren die beiden glücklich verheiratet. Wie also konnte sie so eingebildet sein und annehmen, dass er Katie nach nur einem einzigen Kuss verlassen könnte, um sich ihr in die Arme zu werfen? So drehten sich ihre Gedanken immer weiter im Kreis, und je schneller das Karussell wurde, desto mehr arbeitete sie, weil sie nur so müde genug wurde, um Schlaf zu finden. Sehr zu ihrer Erleichterung kehrte Marigold endlich von fröhlicher Weihnachtsstimmung erfüllt und strotzend vor Energie aus England zurück. Die Kinder waren überglücklich, und Alice entspannte sich wieder ein wenig.
Dann kam Katies Anruf. Obwohl Alice dem plötzlichen Stimmungswechsel ihrer Cousine nicht ganz traute, war sie einverstanden, sich zum Mittagessen mit ihr in Coonamble zu treffen.
Allerdings bestand sie darauf, dass Marigold und die Kinder auch dabei sein müssten. Froh über diese Möglichkeit, Zeit zu gewinnen, plauderte Katie mit den Kindern und erkundigte sich bei Marigold nach ihrer Englandreise. Ohne die Antwort abzuwarten, begann sie dann über sich selbst zu sprechen, und stocherte in ihrem Salat herum, während die Kinder sich an Fisch, Pommes und Eistorte gütlich taten. Sie erhielt ihre Gelegenheit, als Marigold die Kinder zur Toilette begleitete.
»Ich weiß, es tut dir schrecklich Leid, dass du Robbo geküsst hast, Alice, aber das braucht es nicht«, meinte Katie leise.
Alice errötete heftig. »Er sah so elend aus. Ich wollte ihn nur umarmen, um ihn zu trösten. Mehr war nicht dabei, Katie.« Alice war schrecklich verlegen. Genau dieses Gespräch hatte sie unter allen Umständen zu vermeiden versucht. Sie wünschte sich, Marigold würde bald zurückkommen.
Katie
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