Weites Land der Träume
doch kein Idiot, Natter!«, brüllte Bluey, sprang aus dem Wagen und rannte auf seinen Cousin zu, überzeugt, dass dieser betrunken genug war, um abzudrücken. Doch Natter wirbelte herum und schoss ins Gebüsch.
»Du bist ein Weichei, Bluey. An so einen Typen würde ich doch keine Kugel verschwenden.« Grinsend spähte er wieder den Lauf entlang. »Ich schieße den Ast da drüben weg, und dann gehe ich pinkeln.« Plötzlich kam eine Ziege aus dem Gebüsch gelaufen.
»Nicht schießen!«, schrie Billy, doch im selben Moment drückte Natter ab. Die Ziege fiel zu Boden. Billy eilte zu dem reglosen Tier hinüber und hoffte, dass er sich geirrt hätte. Aber er sah seine schlimmsten Befürchtungen bestätigt. Das seltsame Knickohr, das Alice stets so liebevoll gestreichelt hatte, war unverkennbar. Tränen des Zorns traten ihm in die Augen.
»Mein Gott, Kumpel, wem gehört die Ziege denn?«, fragte eine schüchterne Stimme hinter ihm.
Blind vor Wut, weil er Alice diesen tragischen Verlust nicht hatte ersparen können, wirbelte Billy herum. »Du Dreckskerl!«, stieß er hervor und versetzte dem Rotschopf einen Kinnhaken. Der verdatterte Bluey taumelte zurück und stürzte zu Boden. Vor Schmerz traten ihm Tränen in die Augen. Erbost stand er auf und stürmte mit hoch erhobenen Fäusten auf Billy zu.
»Es war doch nur eine dämliche Ziege«, stammelte er, aber Billy hörte ihm gar nicht zu. Er drängte den um sich schlagenden Bluey beiseite und stürzte sich auf Natter.
»Das wirst du mir büßen!«, brüllte er und verabreichte Natter einen Hieb gegen die Schläfe. Als dieser zurückschlagen wollte, verfehlte er jedoch sein Ziel, stolperte über seine eigenen Füße und fiel hin.
Immer noch kampfbereit kam Bluey wieder auf ihn zu, doch das wilde Funkeln in Billys Augen veranlasste ihn, es sich sofort anders zu überlegen.
»Komm, lassen wir diese Verrückten«, drängte Bluey, zerrte seinen verdatterten Cousin rasch auf die Füße und schob ihn trotz seines Sträubens zum Wagen. Sein Kiefer pochte an der Stelle, wo Billys Faust ihn getroffen hatte.
»Du hast es Ma versprochen«, zischte Paddy Billy ins Ohr, als der Wagen ansprang und die beiden Jungen davonrasten. »Warum hast du das getan, zum Teufel? Jetzt kriegen wir richtig Ärger.«
»Glaubst du, das interessiert mich«, stieß Billy hervor. Da bemerkte er, dass die Ziege noch lebte. »Schnell. Wenn wir sie rasch zu Mum bringen, kann sie sie vielleicht noch retten.
Kev, du musst diese Schrottlaube wieder zum Laufen bringen, und zwar dalli!«
Alice saß an ihrem Lieblingsplatz auf der alten Windmühle aus verzinktem Stahl an dem Flussbett, das rings um Billabrin verlief, und ließ die schönen Ereignisse der letzten Zeit Revue passieren. Während sie über die kilometerlange ausgedörrte und mit Gebüsch bewachsene Ebene blickte, beschloss sie, mit sich selbst zu wetten, wen sie zuerst sehen würde: Billy und Paddy oder Dummerchen. Ein Schwarm Kakadus flatterte, leuchtend rosafarben und grau, über ihren Kopf hinweg. Die Schreie der Vögel hallten durch die Luft, und Alice fragte sich zum wohl hundertsten Mal, wo die Krähen waren und wann sie jemals beobachten würde, dass eine rückwärts flog. Wenn ja, würde sie es sofort Billy erzählen. Mit einem zufriedenen Seufzer tastete sie nach dem Apfelrest in ihrer Kleidtasche, den sie für Dummerchen aufgehoben hatte. Das Leben war so schön. Als ihr nach einer Weile der Fuß einschlief, wurde ihr klar, dass sie schon viel zu lange hier oben saß. Allmählich brach die Dämmerung herein, und sie begann, aufgeregt Ausschau zu halten. Im nächsten Moment bemerkte sie den herannahenden Wagen. Sie sah, wie er hinter einem Baum verschwand und nicht wieder zum Vorschein kam. Dann hörte sie leise Schreckensrufe und erkannte zwei Gestalten, die über die Weide auf sie zuhasteten.
»Billy!«, rief sie glücklich aus, kletterte die Stahlleiter hinunter und eilte ihren Cousins entgegen.
Billys Gesicht war gerötet, und seine Brust hob und senkte sich schwer atmend, da er Dummerchen trug. Paddy folgte ihm auf den Fersen.
»Habt ihr ein Schwein erwischt?«, fragte Alice neugierig und betrachtete aufgeregt das Bündel. Aber die Worte erstarben ihr auf den Lippen, als sie den schlaffen weißen Körper in Billys Armen erkannte.
»Nein, nein, ihr habt doch nicht etwa …«, stieß sie hervor und riss entsetzt die Augen auf. Wie erstarrt blieb sie stehen, sodass sie Billy den Weg versperrte.
»Es war ein Unfall«, keuchte er
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