Weites wildes Land
Sturm hatte seine Abwesenheit wahrscheinlich noch um einige Tage verlängert. Aber Josie wußte noch mehr zu berichten. Sibell lächelte. Unter anderen Umständen hätte sie sofort die Gelegenheit beim Schopfe gepackt, um aus Perth zu entkommen. Offenbar hatte Josie eine Freundin, eine Mrs. Charlotte Hamilton, die ein Hotel in Palmerston im Northern Territory besaß. Josie hatte sich die Freiheit genommen, dieser Mrs. Hamilton von Sibells augenblicklicher unglücklicher Lage zu erzählen, wofür sie sich bei Sibell entschuldigte. Mrs. Hamilton hatte prompt geantwortet. Da ihre Augen immer schlechter würden, brauchte sie eine gebildete junge Dame als Gesellschafterin, und sie bot Sibell eine Stellung an. Josie drängte Sibell, diese Gelegenheit beim Schopfe zu packen. »Mrs. Hamilton«, so schrieb sie, »ist eine freundliche Dame mit Sinn für Humor. Außerdem hat die Familie große Besitzungen und scheint recht wohlhabend zu sein. Und Mrs. Hamilton besteht darauf, Ihnen ein Gehalt zu zahlen und Ihnen auch eine eigene Wohnung zu stellen. Zudem will sie für Ihre Reise nach Port Darwin aufkommen, die Sie mit dem Schiff machen müssen…« Mit Schrecken las Sibell diese Zeilen. Wieder auf ein Schiff? Sie bezweifelte, daß sie den Mut besitzen würde, sich je wieder an Bord eines Schiffes zu wagen. Obwohl das jetzt sowieso keine Rolle mehr spielte. Es war nett von Mrs. Hamilton, sie einzuladen, aber sie konnte das Angebot nicht annehmen. Schließlich wartete sie ja auf Logans Rückkehr. Auf Logan, den sie mit jedem Tag mehr liebte, und sie war sich sicher, daß der alte Spruch »Liebe wächst mit der Entfernung« wirklich zutraf. Sie glaubte fest daran, daß er ebenso empfand. Ezras Liebeswerben hingegen nahm sie nicht ernst; sie wiegte ihn nur in dem Glauben, daß sie ihn heiraten würde, damit die Gilberts sie nicht länger plagten. Wie konnten sie allen Ernstes annehmen, sie würde Ezra auch nur im entferntesten als Gatten in Erwägung ziehen? Wenigstens kam sie so viel herum. Ezra ging mit ihr zu Einladungen und führte ihr zu jeder Gelegenheit sein Haus vor, das inzwischen fast fertig war. Es handelte sich um eine scheußliche und geschmacklose Villa im Tudorstil, die die weite Biegung des Swan überblickte und, wenigstens ihrer Meinung nach, überhaupt nicht in die Landschaft paßte. Doch sie besichtigte höflich das Gebäude und bestätigte ihm, wie wunderschön sie es fände. An diesem Morgen rief Percy sie in sein Arbeitszimmer und überreichte ihr hundert Pfund. In bar! Sibell war entgeistert und ganz aus dem Häuschen: Noch nie zuvor hatte sie soviel Geld besessen. »Ich gebe dir dieses Geld, damit du deine Aussteuer und weitere Dinge kaufen kannst, die Damen so brauchen«, teilte Percy ihr mit. »Und hier ist eine Liste, die Margot zusammengestellt hat.« Sibell warf einen Blick darauf: Tischdecken, Servietten, Handtücher, Bettwäsche. Argwöhnisch sah sie Percy an. »Warum gibst du mir das Geld, damit ich sein Haus einrichte? Ist das die Grundausstattung, die ich auf Ezras Wunsch mit in die Ehe bringen soll?« »Ganz richtig«, antwortete Percy. »Schließlich kannst du nicht ohne Aussteuertruhe heiraten, und deshalb wollen Margot und ich dir helfen.« »Papperlapapp!« rief Sibell aus. »Das ist mein Geld. Ich wette, du hast es von der Versicherung bekommen.« »Ich bin dein Vormund«, erklärte Percy ruhig. »Wie schäbig von dir, meine Großzügigkeit in Frage zu stellen. Ich hätte dir das Geld nicht geben müssen.« »Nur, daß Ezra darauf bestanden hat«, widersprach Sibell. Percy achtete nicht auf diese Bemerkung. »Margot wird mit dir in die Stadt fahren und dir helfen, die Wäsche auszusuchen.« »Ich erledige meine Einkäufe lieber selbst.« Mit dem Geld sicher in ihrer Handtasche verstaut, fuhr Sibell mit dem Zweispänner in die Stadt und wies den Kutscher an, vor dem Stoffladen zu halten. Sie rauschte hinein und – zur Überraschung aller, die sich gerade im Geschäft befanden – zur Hintertür wieder hinaus. Dann ging sie geradewegs zur Commercial Bank. In der Bank füllte sie die notwendigen Formulare aus, auf denen sie ihr Alter mit einundzwanzig angab, und hinterlegte die gesamten hundert Pfund auf einem Konto. Nun habe ich eine Aussteuer, wenn ich Logan heirate, sagte sie sich vergnügt.
Drittes Kapitel
Der Fluß tobte; aufgewühlt von den Mondstürmen, die in einem letzten Aufbäumen über die Erde peitschten, ehe sie sich in den Norden zurückzogen und das Land dem langen,
Weitere Kostenlose Bücher