Weizenwampe
kann auch die Entschlossenheit stärken, sich akribisch glutenfrei zu ernähren.
Mittlerweile mehren sich die Hinweise, dass der stärkere Kontakt mit Gluten durch den genetisch veränderten Weizen zumindest eine gewisse Erklärung für das zunehmende Auftreten von Zöliakie ist. Eine niederländische Studie verglich 36 moderne Weizensorten mit 50 Sorten, die bis vor 100 Jahren angebaut wurden. Bei der Untersuchung der Strukturen am Glutenprotein, die Zöliakie auslösen, stellten die Forscher fest, dass im modernen Weizen mehr zöliakierelevante Glutenproteine vorlagen und weniger Proteine, die keine Zöliakie hervorrufen. 24
Zöliakie wird zwar meist bei Menschen nachgewiesen, die über Gewichtsverlust, Durchfall und Bauchschmerzen klagen, doch im 21. Jahrhundert können auch Dicke mit Verstopfung oder schlanke Menschen mit normaler Verdauung die Krankheit in sich tragen. Und das Risiko ist höher als früher.
Für Wein oder Hypotheken sind 20 oder 50 Jahre eine lange Zeit, doch die menschlichen Gene verändern sich währenddessen kaum. Die Zeitpunkte der beiden Ausgangsstudien zum Zuwachs bei Zöliakieantikörpern, 1948 und 1978, entsprechen vielmehr den Veränderungen des Weizens, der heute auf den meisten Feldern der Welt angebaut wird.
Zonuline: Wie Weizen sich seinen Weg ins Blut bahnt
Das Protein Gliadin aus dem Weizengluten, das in allen Weizenprodukten vom weichsten Toastbrot bis zum gröbsten Biobrot vorliegt, hat die einzigartige Fähigkeit, die Darmschleimhaut durchlässig zu machen.
Das ist jedoch nicht der eigentliche Sinn dieser Schleimhaut. Wie jeder weiß, beherbergt der menschliche Verdauungstrakt die merkwürdigsten Dinge. Die wundersame Verwandlung unseres Frühstücks in Körperzellen und die Ausscheidung der unverdaulichen Reste ist ein faszinierender Prozess, der allerdings einer exakten Regulierung bedarf, damit nur ausgewählte Bestandteile unserer Nahrung ins Blut gelangen.
Was also geschieht, wenn versehentlich diverse schädliche Stoffe ins Blut übertreten? Eine unerwünschte Wirkung ist die Autoimmunreaktion, bei der das Immunsystem anspringt und zum Angriff auf ein normales Organ wie die Schilddrüse oder das Gelenkgewebe verleitet wird. So entstehen Autoimmunkrankheiten wie die Hashimoto-Thyreoiditis (eine autoimmun bedingte Schilddrüsenerkrankung) oder rheumatoide Arthritis (Gelenkentzündungen aufgrund von Autoimmunprozessen).
Die Regulierung der Darmdurchlässigkeit ist deshalb eine wichtige Aufgabe der Zellen, welche die empfindlichen Darmwände auskleiden. Neuere Untersuchungen ergaben, dass Weizengliadin den Darm zur Ausschüttung des Proteins Zonulin animiert, das die Durchlässigkeit der Schleimhaut reguliert. 25 Zonuline sind in der Lage, Schnittstellen zu lösen, die Darmzellen normalerweise voneinander abgrenzen. Wenn Gliadin nun Zonulin freisetzt, brechen solche Schnittstellen auf, und unerwünschte Proteine wie Gliadin und andere Proteinbestandteile des Weizens können ins Blut übertreten. Das ruft Lymphozyten auf den Plan, zum Beispiel T-Zellen, die das Immunsystem aktivieren und einen entzündlichen Prozess gegen verschiedene körpereigene Proteine anlaufen lassen. Auf diese Weise lösen Gluten und Gliadin aus Weizen letztlich Erkrankungen wie Zöliakie, Schilddrüsenentzündungen, Gelenkerkrankungen und Asthma aus. Die Gliadinproteine aus Weizen knacken sozusagen das Schloss und lassen dabei unerwünschte Eindringlinge an Orte, an die sie nicht gehören.
Abgesehen von Gliadin existieren kaum Substanzen, die im Darm eine derartige Schlüsselfunktion ausüben. Zu den Faktoren, die ebenfalls Zonulin freisetzen und die Durchlässigkeit der Schleimhaut irritieren, gehören zum Beispiel Erreger der Cholera oder Ruhr. 26 Cholera oder Amöbenruhr zieht man sich zu, wenn man durch Fäkalien verunreinigte Nahrung oder Wasser zu sich nimmt – bei Weizen hingegen erkranken wir nach dem Genuss sauber abgepackter Salzstangen oder Backwaren.
Dann doch lieber raus damit?
Wenn Zöliakie langfristig solche Schäden anrichtet, ist ein kräftiger Durchfall vielleicht genau das Richtige.
Traditionell versteht man unter Zöliakie in erster Linie quälende Durchfälle – keine Diarrhö, keine Zöliakie. Das stimmt jedoch nicht! Zöliakie ist mehr als eine Darmkrankheit, die mit Durchfall einhergeht. Sie kann auch andere Organe befallen und auf mannigfache Weise in Erscheinung treten.
Das Spektrum an Krankheiten, die mit Zöliakie in Verbindung gebracht werden, ist
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